Geschlossene Gesellschaft
wünschte ihm Glück, wenn auch nicht mehr als mir. Als ich durch die Straßen von London flanierte, kam mir Millingtons Analyse des Zustandes Englands im Sommer 1931 nur zu treffend vor. Das Wetter passte eher zum Februar als zum Juli. In den Zeitungsartikeln las ich düstere Prognosen über den Zustand der Wirtschaft und tat mein Bestes, um Selbstmitleid zu entwickeln.
Der Nachmittagstee mit den Atkinson-Whites in Windsor am Tag von Max' Abreise spendete willkommenen Trost. Ihre Bereitwilligkeit, meinem finanziellen Ratschlag zu folgen, freute mich, und ich verabredete mich für den folgenden Tag mit »Trojan« Doyle zum Lunch. Er war in Winchester eine Jahrgangsstufe unter mir gewesen und verdiente - wie schon damals - einen schönen Batzen damit, dass er mit dem Geld anderer Leute arbeitete. Zwar war es unwahrscheinlich, dass mein Anteil an der Provision, die er den Atkinson-Whites abnehmen würde, mich reich machen würde, aber wenigstens dürfte es mich so lange über Wasser halten, bis Max den Schinken nach Hause brachte. Abgesehen davon hatte Trojan gute Verbindungen zu den Geschäftskreisen der Stadt. Ich wollte wissen, was er über Charnwood Investments wusste. Nachdem wir also in der Atkinson-Whites-Sache eine Übereinkunft erzielt hatten, wechselte ich sofort das Thema.
»Charnwood Investments, Trojan. Hast du jemals Gelegenheit gehabt, einen genaueren Blick auf die Firma zu werfen?«
»Das kann ich nicht gerade sagen. Fabian Charnwood lässt sich nicht gern in die Karten gucken. Das war schon immer so.«
»Aber er ist erfolgreich?«
»Es geht ihm besser als den meisten anderen.« Trojans buschige Augenbrauen zogen sich forschend zusammen. »Was hast du für ein Interesse daran?« »Ich könnte - vielleicht - mit ihm ins Geschäft kommen, mehr nicht.«
»Das würde ich an deiner Stelle nicht tun. Er ist ein aalglatter Kunde.«
»Noch glatter als du?«
Er grinste. »Wenn ich ein Aal bin, ist er eine Seeschlange. Das ist doch einfach kein Vergleich. Sein Vater hatte vor dem Krieg eine Munitionsfabrik.« Ich ließ ihm diese leichte Unkorrektheit durchgehen und kalkulierte darauf, dass er umso informativer sein würde, je ignoranter ich mich stellte. »Charnwood hat in der Firma als Handelsvertreter angefangen, hat Waffen an die Hitzköpfe auf dem Balkan geliefert und ist im Aufsichtsrat gelandet. Als sein Vater starb, wurde er Vorsitzender. Innerhalb eines Jahres hat er alles verkauft. Die ganze Firma bis zur letzten Patrone.« Er lachte. »Das muss ungefähr fünfundzwanzig Jahre her sein. Seitdem investiert er in alle Arten von Unternehmungen, hier und in Übersee. In die Rüstungsindustrie natürlich, in Banken, Goldminen, Telefongesellschaften und Zeitungen. Er geht sehr clever vor und macht unglaublich viel Profit. Und er riskiert was. Man sagt, dass er in allen aktuellen und zukünftigen Märkten die Finger drin hat. Nun, das Geschäft ist auch nichts für Zaghafte, das war es noch nie. Aber er wird immer mächtiger. An seinem Urteilsvermögen ist nicht zu rütteln.«
»Aber an etwas anderem?«
»Habe ich das gesagt?«
»Nein. Aber deine Ausdrucksweise hat es angedeutet.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe dir schon gesagt, dass er sich nicht gern in die Karten schauen lässt. Nun, genau das ist der Punkt. Er hält sich zu bedeckt, ist zu geheimnisvoll. Und Geheimnisse geben zu denken. Einige finden es vielleicht faszinierend, vermute ich. Viele Leute - große Gesellschaften, nicht nur Einzelpersonen - haben Charnwoods Aktivitäten unterstützt, und sie haben einen guten Schnitt dabei gemacht. Aber für meinen Geschmack ist er zu unergründlich. Für deinen übrigens auch, sollte ich annehmen. Da fällt mir ein... Habe ich nicht läuten hören, dass du und Max Wingate in Amerika mit Richard Babcock, dem Bankierssohn, Geschäfte gemacht habt?«
»Das hast du gehört?«
»Ja. Und jetzt sind er und sein Vater, Hiram Babcock, der Vorsitzende, oder vielleicht sollte ich besser sagen: ExVorsitzende, der Housatonic Bank, wegen Betrugs, Unterschlagung und Gott weiß was sonst noch verhaftet worden. Du musst noch in New York gewesen sein, als das passiert ist. Was kannst du mir davon erzählen?«
»Nichts.« Ich lächelte so aufrichtig wie möglich. »Überhaupt nichts.«
»Nun rück schon damit heraus.«
»Es ist die Wahrheit. Die Babcock-Affäre ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.« Genauso war es auch; und das galt übrigens auch für eine große Zahl anderer Affären, die ich
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