Geschlossene Gesellschaft
»perfekten Gentleman«. Aber Charnwood war alles andere als der dicke, rotgesichtige Sechziger, den ich erwartet hatte. Er hatte eine beinah athletische Gestalt, sein weißes Haar war noch genauso dicht wie meins, seine Gesichtszüge regelmäßig und sonderbar unscharf und sein Blick unbehaglich direkt. Er sprach leise, aber entschieden, wie einer, der es gewohnt ist, dass man ihm ohne Frage gehorcht. Und er kam sofort zur Sache, nachdem wir uns gesetzt und unsere Essen bestellt hatten. Ich trank Weißwein, er Malvern-Wasser.
»Ich bin Ihnen sehr verbunden, dass Sie meiner kurzfristigen Einladung folgen konnten, Mr. Horton. Ich möchte mit Ihnen über die aufkeimende Romanze zwischen meiner Tochter Diana und Ihrem Freund Max Wingate sprechen.«
»Was haben wir denn dazu zu sagen, Mr. Charnwood?«
»Wir können uns darüber unterhalten, wie sie beendet werden kann.«
»Wie bitte?«
»Mr. Wingate war in den letzten drei Tagen Gast in meinem Haus. Man hat mich überhaupt nicht im Unklaren darüber gelassen, wie die Dinge zwischen ihm und Diana stehen. Sie hat mir erzählt, dass sie ihn liebt. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er seine Liebe zu ihr verkündet und mich um ihre Hand bittet. Glauben Sie nicht auch?«
»Nun... ich... freue mich für Max, wenn...«
»Ersparen Sie mir Ihre Freude, Mr. Horton. Kein Vater, dessen Tochter sich mit einem solchen Mann eingelassen hat, kann sie nachvollziehen.«
»Verdammt noch mal«, erwiderte ich mit gespieltem Zorn -zu Max' Gunsten. »Ist das die Art...?«
»Und ersparen Sie mir auch diese Schmierenkomödie. Sie ist wirklich nicht nötig. Ich weiß genau, was Sie vorhaben, Sie beide. Sie sind ein Paar prinzipienlose Abenteurer, denen nur Geld etwas bedeutet.« Er schwieg, während das Mineralwasser und der Aperitif serviert wurden, ließ mich jedoch keine Sekunde aus den Augen. Nachdem sich der Kellner wieder zurückgezogen hatte, fuhr er fort: »Glücklicherweise habe ich keine Probleme mit Menschen wie Ihnen. Wir vereinbaren einen Preis, und die Sache ist erledigt.«
»Ihre Direktheit, Mr. Charnwood, ehm...« Ich bemühte mich um eine Antwort, aber sein grobes Vorgehen hatte mich entwaffnet. »Sie stößt mich ein wenig ab.«
»Meine Direktheit ist das Ergebnis meines Wissens. Das beruht natürlich nicht auf dem, was Mr. Wingate Diana über sich selbst erzählt hat, wenn er auch nicht nur gelogen hat. Aber es war nicht sehr viel. Sie waren gleichzeitig in Winchester, glaube ich, und haben gemeinsam während des Krieges im King's Royal Rifle Corps gedient. 1919 ist Mr. Wingate nach Oxford gegangen, während Sie in der Firma angefangen haben, in der auch Ihr Vater arbeitete: der Goddess Foundation Garment Company in Letchworth... Mr. Wingate hat Sie als einen zugeschnürten Angestellten« beschrieben, was wenig schmeichelhaft ist, aber vermutlich zutrifft.«
»Sehr amüsant«, entgegnete ich ruhig. »Es ist der Witz Ihres Freundes, Mr. Horton, nicht meiner. Abgesehen davon können Sie nichts dagegen tun, dass Sie aus einem ärmeren Elternhaus kommen als er. Aber dafür mache ich Sie nicht verantwortlich. Ich werfe Ihnen nicht einmal vor, dass Sie zwei Jahre später alles hingeworfen haben, um zusammen mit Mr. Wingate Geschäfte zu machen. Er hat meiner Tochter erzählt, dass er Oxford aus eigenem Antrieb verlassen hat; aber Sie und ich wissen, dass er gehen musste, weil er eine illegale Lotterie betrieben hat. Ein ziemlich bescheidener Start in eine Karriere von Betrügereien und Schwindeleien, in der Sie sein loyaler Partner gewesen sind.«
»Wer hat denn diesen Unsinn für Sie ausgegraben?« konterte ich. »Faraday?«
Er schaute mich finster an. »Wer ist Faraday?«
»Ihr Spion auf der Empress of Britain.«
»Ich beschäftige keine Spione, weder zu Land noch zu Wasser. Meine Informationen habe ich von einem Mitglied dieses Clubs, dessen Name Ihnen bekannt sein dürfte: Sir Antony Toogood.«
»Toogood? Ich bin nicht sicher, ob...«
»Sie haben ihn 1924 in Le Touquet kennengelernt, als seine Tochter das Ziel Ihrer Aufmerksamkeit war, so wie die meine jetzt das Ziel von Mr. Wingates Aufmerksamkeit ist.« Er lächelte. »Sie glauben vielleicht, dass es ein unglücklicher Zufall ist, dass ich ausgerechnet mit Sir Antony bekannt bin. Nun, das sollten Sie nicht tun, und zwar aus zwei Gründen nicht.«
Die Suppe wurde serviert. Ich hatte wenig Appetit und trank stattdessen etwas Wein, während ich darauf wartete, dass Charnwood
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