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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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Broschüren der Pressestelle des Außenministeriums und fragten uns, was der ganze Aufruhr sollte. Nun, am Montag, dem 20. Juli 1914, erfuhr ich es.
    Am Abend fand ich in meinem Hotel eine Nachricht. Sie kam von Oberst Alexander Brosch von Aarenau, dem ehemaligen Chef von Franz Ferdinands Militärkanzlei. Ich hatte seine Bekanntschaft während der bosnischen Annexionskrise von 1908 gemacht. Er war Franz Ferdinands loyalster und feinfühligster Ratgeber - selbst noch nachdem er die Kanzlei verlassen hatte. Sie hatten zusammen weitreichende Pläne für eine Veränderung des Kaiserreiches entworfen, als Franz Ferdinand plötzlich starb. Brosch besaß den Takt und die Subtilität, die Franz Ferdinand abgingen. Er konnte vor allem blendend die Presse manipulieren, indem er Schreiberlinge wie mich dazu benutzte, für seinen Chef die Ballons platzen zu lassen. Aber man konnte ihm das nicht übelnehmen. Dafür war er viel zu sehr Gentleman. Abgesehen davon bestand immer die Hoffnung, dass er einem einen Schatz in den Schoß fallen ließ. Also durfte ich eine Nachricht von Brosch nicht ignorieren. Und diese hier war die dringende Aufforderung, ihn um Mitternacht auf einer der Donaubrücken zu treffen. Das war vollkommen ungewöhnlich. Man konnte Brosch antreffen, wie er Zigarren rauchend um drei Uhr nachmittags am Belvedere spazieren ging. Aber um Mitternacht auf Brücken herumschleichen ? Niemals. Jedenfalls hätte ich das gesagt. Aber die Nachricht war da, und es war seine Handschrift. Also ging ich hin, verwirrt, wie ich war.
    Er war bereits dort, als ich ankam. Er trug Zivil und wirkte, nun, wenn nicht verstohlen, dann jedenfalls sehr vorsichtig. Ich hatte ihn seit der Beisetzung nicht gesehen. Er war offenbar aufgeregter gewesen als die meisten anderen Trauernden, was auch nicht weiter verwunderte, aber jetzt... Ihn bedrückte mehr als nur Trauer. Sein Verhalten war... eigenartig und verwirrend. Aber er wollte reden, also hörte ich zu, wie ein guter Reporter es eben tut. Er führte mich auf Umwegen zum St. Stefansdom, wobei er enge Straßen benutzte, die ich kaum kannte. Selbst dabei schaute er noch ständig über seine Schulter, als fürchte er, dass man uns folge. Erst dachte ich, sein Misstrauen sei lächerlich. Aber nur zuerst. Sehr bald begann auch ich, über meine Schulter zu schauen.
    Denn Brosch verriet mir ein Staatsgeheimnis. Der Ministerrat hatte sich am Nachmittag getroffen und ein Ultimatum verabschiedet, das Serbien am Donnerstag zugestellt werden sollte und innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden musste. Die Bedingungen des Ultimatums waren absichtlich unannehmbar. Brosch zweifelte nicht daran, dass Serbien es ablehnen würde. Das bedeutete Krieg innerhalb einer Woche. Ich konnte es kaum glauben. Er servierte mir den absoluten Knüller. Aber warum? Weil es da noch mehr gab. Viel mehr.
    »Warum weihen Sie mich ein, Oberst ?« fragte ich.
    »Weil Sie der einzige englische Journalist in Wien sind, dem ich traue«, antwortete er mit seiner piepsigen Stimme. »Ich brauche Ihre Hilfe. Und Sie meine. Haben Sie von Major Köszegis Selbstmord gehört?« Ich bejahte. »Ein guter Mann. Wir können uns solche Verluste nicht leisten. Er ist am Tag nach der Beisetzung zu mir gekommen, um seine kleine Rolle in der Verschwörung zu gestehen und zu bereuen. «
    »Welche Verschwörung ?« wollte ich wissen.
    »Die Ermordung des Erzherzogs«, antwortete er.
    »Köszegi hat für die Serben gearbeitet?« »Nein«, gab Brosch zurück. »Die Serben haben ihn nicht getötet, Duggan.«
    »Wer dann?«
    »Eine geheime internationale Organisation. Sie nennt sich Concentric Alliance und wird von einem Engländer geführt. Deshalb habe ich mich an Sie gewandt. Ich muss so viel wie möglich über ihn herausfinden, bevor es zu spät ist. Sein Name ist...«
    Duggan unterbrach sich und blieb stehen, drehte sich dann langsam um und schaute mich an. Die Erinnerung schien ihm Kraft zu verleihen, denn sein Blick funkelte. Ich wusste, wessen Namen er nennen würde. In meiner Tasche war ein Stück Papier mit zwei konzentrischen Kreisen. Und Charnwoods Worte waren noch in meinem Kopf, als er dieses Fünf-Shilling-Stück auf seinem Schreibtisch hatte kreisen lassen. »Also können ein Kreis und eine Linie dasselbe sein, je nachdem, von welchem Gesichtspunkt aus Sie es betrachten.« Der Kreis seiner Macht. Die gerade Linie einer Kugel. Hier, auf dem leeren Strand von Northumberland. Und damals, auf einer bevölkerten Straße in Sarajevo. »Das

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