Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Angermüller. »Wir sind nicht wegen durchgeschnittener Zäune hier. Wir sind von der Mordkommission, wie ich schon sagte, und wir können Sie gern mit auf die Dienststelle nehmen, wenn Ihnen das lieber ist.«
Nach kurzem Überlegen gab der junge Mann die Tür frei.
»Ich setz mich mit denen mal für’n Augenblick in die Küche«, erklärte er seiner Mitbewohnerin, die mit großen Augen immer noch an der Flurwand lehnte. Die junge Frau nickte, offensichtlich schwer beeindruckt, und zog sich in ein Zimmer zurück. Auf Zehenspitzen, wie es schien.
»So, dann sagen Sie doch mal. Wen hab ich denn umgebracht?«
Fabian Köppe kippelte an dem großen Küchentisch, auf dem noch eine bunte Sammlung Frühstücksutensilien herumstand, mit seinem Stuhl hin und her. Er demonstrierte völlige Gelassenheit. Nur kurz hatte Angermüller den Eindruck, dass ihn trotz allem eine gewisse Anspannung beherrschte, nämlich als Jansen das Diktiergerät auspackte und seine Personalien abfragte.
»Sie sind nach wie vor aktiv in der Tierrechtsbewegung?«, begann Angermüller.
»Zumindest teile ich immer noch ihre Ziele und lebe danach. Für meine Bedürfnisse muss kein Tier sterben! Aber im Augenblick beschränkt sich meine Unterstützung auf geistigen Beistand. Und abgesehen davon, dass ich mich seit meiner Verurteilung vollkommen gesetzestreu verhalten habe: Für intensive Mitarbeit fehlt mir einfach die Zeit. Außerdem muss sich ja auch der Nachwuchs mal bewähren, nicht wahr?«
Ein spöttisches Lächeln glitt über Köppes Gesicht.
»Und Ihre Gruppe, die Wachen Hunde, leitet jetzt jemand anders?«
»Bei uns gibt es keinen Leiter oder so was. Wir entscheiden immer alles im Kollektiv. Und ob und was da jetzt läuft, kann ich Ihnen überhaupt nicht sagen. Ich glaub aber, man kann im Moment eher von schlafenden Hunden sprechen.«
»Sagen Sie uns bitte, wo Sie vorgestern Abend gewesen sind?«, fragte Jansen etwas zusammenhanglos.
»Vorgestern Abend?«
Die Frage schien den jungen Mann zu überraschen. Sein Blick wanderte hoch zur Dachschräge, an der ein Plakat mit der Aufschrift ›Animal Liberation Front‹ hing, welches einen Mann im Schattenriss zeigte, der einen Stacheldrahtzaun mit einer großen Zange zerschnitt.
»Ich habe gearbeitet, fürs Studium, wie immer. Das zweite Staatsexamen in Medizin gibt’s nicht umsonst, kann ich Ihnen sagen.«
»Sind Sie den ganzen Abend zu Hause gewesen? Und gibt es dafür Zeugen?«
»Weiß nicht«, er hob unmutig die Schultern. »Meine Zimmertür war zu. Ich brauche meine Ruhe, wenn ich am Lernen bin. Ja, ich glaub, Melanie und ihr Freund sind da gewesen.«
»Wie heißen die vollständig? Wohnen die hier?«, fragte Jansen nach.
Widerwillig gab Köppe die entsprechende Information.
»Und Sie haben also den ganzen Abend am Schreibtisch verbracht? Bis Sie schlafen gegangen sind?«
Angermüller sah den Studenten aufmerksam an. Er war ein wacher, intelligenter Typ, mit einem gesunden Selbstbewusstsein und nicht mal unsympathisch.
»Na ja, ich war sicher mal hier in der Küche, was trinken und auch mal auf dem Klo«, grinste der.
»Herr Köppe, ich möchte Sie daran erinnern, dass wir in einem Mordfall ermitteln. Wir werden Ihre Angaben selbstverständlich auf Richtigkeit überprüfen.«
»Logisch. Ich weiß doch, dass Sie Handydaten speichern und meine E-Mails ausforschen dürfen. All so ’ne schönen Sachen. Von wegen Schutz der Privatsphäre des Bürgers!«, erwiderte Fabian Köppe und kreuzte die Arme vor der Brust. »Aber ich war ja noch gar nicht fertig.«
Angermüller sah das linke Bein von Jansen schon wieder verdächtig wippen. Er warf dem Kollegen einen beredten Blick zu, damit der sich zurückhielt.
»Wir hören.«
»Später am Abend habe ich mich mit einem alten Freund in einer Kneipe getroffen.«
»Welcher Freund? Welche Kneipe? Wann? Wie lange?«
Jansen bevorzugte stets den direkten Weg. Der Medizinstudent warf ihm einen genervten Blick zu.
»Enzo war das. Wir waren im VeB und haben von alten Zeiten geklönt. So gegen zehn war ich dort, glaub ich.«
»Und Ihr alter Freund, wo wohnt der, hat der auch einen Nachnamen? Wohin sind Sie von der Kneipe aus gegangen?«
»Was soll die Frage? Ich bin nur noch nach Hause. Das muss so halb zwei gewesen sein, als ich wieder hier war.«
»Name, Adresse von diesem Enzo?«
»Adresse hab ich nicht. Enzo hat mal in unserer WG gewohnt. Er ist nur zu Besuch hier. Sonst wohnt der in Italien.«
Bei Köppes letztem Satz hob Angermüller
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