Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
warum Sie hier sind …«
Er stockte und zeigte nach rechts.
»Lassen Sie uns gleich hier in die Küche gehen.«
»Dann lassen Sie doch ma hören«, forderte Jansen mit kaum unterdrückter Genugtuung den jungen Mann auf, als sie am Tisch Platz genommen hatten.
»Was denn?«, fragte der leise und nahm müde seine Brille ab. Ohne das auffällige schwarze Teil wirkte sein Gesicht noch zarter und jünger als ohnehin schon.
»Na, alles, wat Sie vergessen haben, uns über vorgestern Abend zu erzählen.«
Lorenzo Calese senkte den Blick.
»Es tut mir leid, dass ich das mit Lübeck nicht gestern schon gesagt habe. Aber Mama saß ja daneben. Sie hätte sich im Nachhinein noch entsetzlich aufgeregt, und das bekommt ihr gar nicht.«
Er seufzte.
»Aber was meine Mutter angegeben hat, stimmt. Wir waren in Kellenhusen beim Italiener und sehr früh wieder zu Hause. Wie meistens, oder eigentlich immer, hat sie eine Schlaftablette genommen und ist bald ins Bett gegangen. Ich hatte mich für den Abend mit Fabi aus meiner ehemaligen WG verabredet. Weil Mama sich immer sorgt, wenn ich nachts mit dem Auto unterwegs bin, hab ich ihr lieber gar nichts davon erzählt. Wenn sie eine von diesen Tabletten genommen hat, dann schläft sie eh wie ein Stein und bekommt nichts mit. Und dann hab ich ihr Auto genommen und bin nach Lübeck gefahren.«
»Wann sind Sie dort angekommen?«
»So um zehn rum war ich im VeB. Das ist die Kneipe, wo wir uns getroffen haben.«
Die Schilderung des weiteren Ablaufs des Abends war identisch mit der von Fabian Köppe.
»Sie wissen hoffentlich, Herr Calese, dass Sie sich mit dem Verschweigen Ihres Besuches in Lübeck keinen Gefallen getan haben? Sie haben sich damit nur verdächtig gemacht.«
Hilflos hob der junge Mann die Schultern als Antwort auf Angermüllers Worte.
»Ich weiß, das war blöd von mir. Aber ich kann’s jetzt nicht mehr rückgängig machen. Ich kann Ihnen nur noch einmal schwören, dass ich mit dem Tod von Hagebusch nicht das Geringste zu tun habe.«
»Sie wissen, wo er in Lübeck gewohnt hat?«
Die ganze Zeit hatte Lorenzo den Kopf gesenkt gehalten. Jetzt hob er den Blick und sah Angermüller, der den Hauptteil der Vernehmung bestritten hatte, fest in die Augen.
»Natürlich weiß ich das. In einer der kleinen Straßen hinterm Brink. Und ja: Ich habe als Kind jahrelang unter diesem Mann gelitten. Ich habe ihn gehasst, das stimmt, und ich hätte ihm gern manches, was er mir angetan hat, genauso zurückgezahlt. Aber weder bin ich vorgestern in seiner Wohnung gewesen, noch habe ich ihn umgebracht, das müssen Sie mir glauben! Schon meiner Mutter wegen hätte ich das niemals tun können.«
»Wat tut der Junge harmlos!«, regte sich Jansen auf, als sie über die kleine Straße in Richtung Dahmeshöved unterwegs waren, die für den Durchgangsverkehr gesperrt war. Angermüllers dementsprechenden Hinweis hatte der Kollege einfach überhört.
»Immer nur seine arme Mama, auf die er Rücksicht nehmen muss. Alles nur für seine Mama! Ich kann dat nich glauben!«
Angermüller sagte nichts und ließ seinen Kollegen erst einmal schimpfen. Er sah an ihm vorbei zu dem Streifen zwischen Straße und Strand, auf dem sich Grundstücke mit bescheidenen Bungalows und aufwendigeren Häusern abwechselten. Es musste schön sein, hier zu wohnen, direkt am Strand mit einem unverbaubaren Blick auf die Ostsee. Sie passierten eine schicke, neue Jugendherberge, dann tauchten rechts neben ihnen ein kleiner Turm und ein großer alter Leuchtturm auf, beide aus rotem Backstein errichtet, ein hübscher Anblick aus längst vergangener Zeit.
»Wahrscheinlich hast du insofern recht, Claus, dass der Calese nicht nur wegen seiner Mutter den Besuch in Lübeck verschwiegen hat«, antwortete der Kriminalhauptkommissar mit einiger Verzögerung auf Jansens empörten Kommentar.
»Natürlich ist ihm klar, dass er verdächtig ist, weil er ein Motiv hat. Trotzdem glaube ich nicht, dass er lügt. Schließlich hat er uns ja vorgestern selbst erzählt, wie er unter seinem Stiefvater gelitten hat.«
»Na, dat war ja nich anders zu erwarten, dat der Kollege Angermüller wieder für alles Verständnis hat«, murrte Jansen, »aber jetzt muss ich unbedingt mal wat einwerfen. Mittag is lange vorbei!«
»Da hast du ausnahmsweise recht, Claus! Lass uns doch gleich hier nach was Essbarem suchen.«
»Meinst du, hier gibt’s irgendwo wat Richtiges? In dem verschlafenen Kaff?«
In der Tat waren um diese Nachmittagszeit keine
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