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Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall

Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall

Titel: Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zur Dienststelle zu fahren, gab Angermüller angesichts des Wetters auf.
    Angetrieben von der feinen Nässe, die ihm ins Gesicht sprühte, lief er schnellen Schrittes durch die kleinen Straßen in Richtung Mühlenbrücke, ohne einen Blick zu haben für die schmucken Jugendstilhäuser in der Nachbarschaft mit ihren Erkern, altmodischen Sprossenfenstern und kunstvollen Stuckgirlanden. Als er endlich im Bus zum Berliner Platz stand und ihn nur mürrische Mienen umgaben, bereute er seine Entscheidung sofort. Resigniert sah er nach draußen, wo ein Briefträger mit gelber Pelerine unverdrossen durch den dichten Verkehr strampelte. Der Briefkasten seines toten Nachbarn fiel dem Kommissar wieder ein und dass sich heute jemand baldigst darum kümmern sollte.
    Im Fahrstuhl des Behördenhochhauses traf er auf Anja-Lena.
    »Guten Morgen! Nanu, schon so früh? Aber schön, dass du wieder da bist. Die Grippe überwunden?«
    Die junge Kollegin lachte ihn an.
    »Hallo, Chef. Bin wieder fit. Ich dachte, ich komm ein bisschen früher und schau nach, was ich alles so verpasst habe. Und hier auch alles okay?«
    Nicht nur wegen ihres freundlichen Naturells schätzte Angermüller die junge Frau, die vor Kurzem zur Kriminalhauptmeisterin befördert worden war. Anja-Lena Kruse war umsichtig und von schneller Auffassungsgabe, arbeitete selbstständig und erleichterte durch ihre ausgeprägte soziale Kompetenz das Zusammenwirken im Team. Der Kriminalhauptkommissar umriss ihr in wenigen Worten den aktuellen Fall.
    »Ich habe auch gleich eine Aufgabe für dich. Mir ist nämlich gestern Abend eingefallen, dass wir uns noch gar nicht um Hagebuschs Briefkasten gekümmert haben. Muss ja nicht wichtig sein, gehört aber dazu. Lass dir doch bitte von der KT die Schlüssel geben und schau mal nach, ob sich da drin vielleicht was Interessantes findet. Spurensicher eintüten und mitbringen.«
    »Klar, Chef, bin schon unterwegs!«
     
    Sic transit gloria mundi – die Ulmenschenke
     
    So beschlossen wir, einmal wieder den Ort aufzusuchen, wo die Gastlichkeit seit Hunderten von Jahren zu Hause ist, der, in Gedichten verewigt, unter grünen Ulmen an der Alten Trave liegt. Tage hatten wir uns der Reservierung wegen gedulden müssen, was umso mehr erstaunte, angesichts der Leere, die wir im Gastraum bei unserem Eintreffen vorfanden. Nun gut. Endlich saßen wir in froher Erwartung an weiß eingedeckten Tischen, die Gläser und das Besteck funkelten verheißungsvoll. Eine einzelne edle Rose in einer extravaganten Karaffe schmückte unseren Tisch. Wir orderten einen deutschen Winzersekt aus dem Rheingau, der sicherlich die richtige Eröffnung eines Abends voller kulinarischer Offenbarungen sein kann, wenn er in angemessener Temperatur im Glas perlt. Diese Erfahrung blieb uns leider versagt. Dienstbare Geister, derer drei, die zu Beginn um unsere Aufmerksamkeit buhlten, überbrachten uns mit großer Geste einen Gruß aus der Küche und kündigten an: Dreierlei vom Milchkalb in Form einer Portweinsülze, eines Vol-au-vent mit Ragout und eines Scheibchens vom Bries, gebacken. Optisch war der kunstvoll angerichtete Teller eine Augenweide, das kann man nicht anders sagen. Über den Geschmack sagt der Connaisseur lieber nichts. Nur so viel: Der Teig für das Vol-au-vent entstammte offensichtlich einer länger nicht auf Frische kontrollierten Tiefkühltruhe des Lebensmittelhandels. Fettiges, ranzig schmeckendes Fertigzeug.
    Doch wir hatten dem Koch noch drei Chancen gewährt, diesen Fauxpas wieder gutzumachen und sahen der Vorspeise gespannt entgegen. Ein wahrhaft einmaliges Erlebnis erwartete uns: Noch nie zuvor hatten wir die Jakobsmuschel unter Zitronengrasschaum in derart zäher Konsistenz gekostet. Da wir mehr als nur einen Anstandsrest auf unserem wieder äußerst liebevoll dekorierten Teller ließen, machte uns der Hunger neugierig auf den Hauptgang unserer geschmacklichen Entdeckungsreise. Gott sei Dank hatten wir einen Sancerre von der Domaine de la Poussie geordert, der tatsächlich in der richtigen Temperatur an unseren Tisch kam und trinkbar war, sodass wir uns damit die Wartezeit vertreiben konnten. Gut Ding will Weile haben, scheint eine der Weisheiten zu sein, welche die Küche der Ulmenschenke tatsächlich verinnerlicht hat. Endlich kam der Saint Pierre unter Olivenkruste auf Pulporagout, eine hochambitionierte Komposition, an unseren Tisch und verließ ihn, jedenfalls zu großen Teilen, enttarnt als Hochstapler. Lassen Sie uns darüber barmherzig den

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