Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
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Obwohl selbst der Kochkunst und allen erdenklichen Gaumengenüssen in jeder Weise zugetan, entsprach dem Kommissar der ebenso hochgestochene wie herablassende Stil, in dem hier über Essen und Trinken berichtet wurde, überhaupt nicht. Scheinbar gab es aber genügend Zeitgenossen, die sich gern auf dieser Ebene mit Gourmetthemen beschäftigten. Im Vergleich zu Hagebuschs Machwerken erschienen dem Kommissar Carolas Restaurantkritiken plötzlich als erfrischend klar und natürlich, auch wenn Carola scheinbar leicht durch ansehnliche Portionen zu beeindrucken war und ihr sehr häufig das Adjektiv ›lecker‹ in den Text rutschte. Den Pluralis Majestatis, den Hagebusch offensichtlich für seine Pamphlete nutzte, fand Angermüller schlicht anmaßend. Es passte aber zu dem Bild, das sich langsam in seinem Kopf zusammenfügte von dem Mann, den man tot in der Nachbarwohnung gefunden hatte.
»Moin! Bist du aus dem Bett gefallen, oder wat?«, riss ihn Jansens Stimme wenig später aus seiner Lektüre.
»Morgen, Claus. Ich hab mir grad die Website von dem Hagebusch angeschaut, von der mir eine Bekannte gestern erzählt hat: Victor B-Savarins Almanach für Gastrosophie.«
»Wat für ne Krankheit?«
»Gastrosophie. Ich denke, Hagebusch suchte einfach nach einer möglichst beeindruckenden Bezeichnung für seine Nachrichten aus der Welt der Feinschmecker. Deshalb nannte er sich auch nach Jean Anthèlme Brillat-Savarin, einem der berühmtesten Vertreter der Gastrosophie. Kochen und Essen werden darin als Kulturtechniken unter Einbeziehung philosophischer, gesellschaftlicher und auch naturwissenschaftlicher Aspekte betrachtet.«
»Wer dafür Zeit hat«, kommentierte Jansen achselzuckend. »Ich mach erst ma Kaffee.«
Angermüller musste schmunzeln. Eine andere Reaktion seines Kollegen hätte ihn auch erstaunt. Während er nebenan die Kaffeemaschine füllte und in Gang brachte, rief Jansen zu Angermüller herüber:
»Eigentlich müssten wir doch heute erste Ergebnisse von der IT Beweissicherung aus Hagebuschs Computer kriegen.«
»Stimmt!«
Wenig später stieß Thomas Niemann dazu, der die Ausbeute aus der umfangreichen Datensammlung für seine Kollegen schon aufbereitet hatte. Es bestätigte sich, was sie schon wussten: dass Hagebusch seit dem Weggang des alten Lokalchefs für die Lübecker Zeitung kaum noch tätig gewesen war. Dafür hatte er sich verstärkt seiner B-Savarin-Website gewidmet und ab und zu auch für kleinere Stadtzeitungen und Werbeblättchen geschrieben.
»Mit diesem Almanach scheint er in der Feinschmeckerszene ziemlich bekannt gewesen zu sein, wie die Zahlen für die Zugriffe auf seine Website zeigen«, erklärte Niemann. »Und er scheint einen nicht unerheblichen Einfluss gehabt zu haben, wie man an Erwähnungen und Verlinkungen seiner Seite im Netz sehen kann.«
Über fast alle Firmen, Läden und Restaurants, die er in B-Savarins Almanach führte und bewertete, hatte Hagebusch Material gesammelt, aus fremder und eigener Recherche, positive wie negative Berichte, die er zum Teil bereits für seine Veröffentlichungen verwendet hatte, zum Teil auch nicht.
Angermüller erzählte seinen Kollegen von dem Vorfall im Restaurant, den Carola ihm geschildert hatte. Die gespeicherten Beiträge auf der Festplatte unter dem Stichwort Ulmenschenke verdeutlichten die Wandlung des Loblieds in Savarins Almanach zum genauen Gegenteil.
»Gibt es denn irgendwas zur Feinkostmanufaktur Landglück auf dem PC?«, erkundigte sich Angermüller. »Auf der aktuellen Website war nichts zu finden.«
»Aber auf der Festplatte ist einiges gesammelt«, bestätigte Niemann.
»Hagebusch hat für Petermann Produktpräsentationen organisiert, Pressemitteilungen herausgegeben, Artikel im redaktionellen Teil von Feinschmeckerzeitschriften platziert und die Website gepflegt. Allerdings endet das irgendwann. Auch negative Erwähnungen der Firma und ihrer Produkte hat er feinsäuberlich archiviert. Seine letzte Aktivität für Petermann liegt schon Wochen zurück, und in Savarins Almanach ist die Firma auch nicht zu finden. Es sieht fast so aus, als ob er für die Firma gar nicht mehr tätig war.«
»Der hat uns gestern aber wat anderes erzählt«, wandte Jansen ein.
»Das war ja nur der Seniorchef, Claus. Und er hat selbst gesagt, er weiß nicht mehr über alles so genau Bescheid, was in der Firma jetzt
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