Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Lauchsalat mit Orangen und Rosinen aus dem Kühlschrank holte. Er war jetzt gut durchgezogen, schmeckte toll mit den orientalischen Gewürzen, konnte aber noch ein wenig Salz gebrauchen. Sie gab noch eine Prise dazu und schnitt dann einen Halloumi in Scheiben. Der gegrillte Käse mit seinem rahmigen Geschmack ergab zusammen mit scharf gewürztem Bulgur und dem Lauchsalat ein kräftiges Mittagsgericht. Hoffentlich fanden heute auch ein paar Gäste zu ihr, denn das Wetter war eigentlich gar nicht für lange Spaziergänge auf der Promenade gemacht.
Als Olaf am Abend zuvor im Café so überraschend vor ihr gestanden hatte, waren Linas Vorsätze und Prinzipien wie auf Tastendruck aus ihrem Bewusstsein gelöscht worden, als ob es sie nie gegeben hätte. Und alles, was sie die letzten Tage in ihrem Innersten verborgen hatte, worüber sie mit keinem Menschen hatte reden können, war mit einem Mal an die Oberfläche gekommen, und sie hatte Olaf die ganze Geschichte erzählt. Über den Einbruch, über das Video und über ihre Naivität, ihrem Stiefvater wider alle Erfahrung vertraut zu haben. Und wie sie anschließend hörte, dass Victor ihre Gutgläubigkeit wohl nur ausgenutzt hatte. Sie schilderte ihm, wie sie vorgestern Abend das Polizeisiegel an seiner Wohnungstür fand und dann von ihrem Bruder erfuhr, dass ihr Stiefvater ermordet worden war. Obwohl sie Olaf wirklich vertraute, hatte sie Lorenzos spezielle Rolle jedoch lieber nicht erwähnt. Sie wusste ja selbst nicht, was sie davon halten sollte und wollte Olaf nicht in Schwierigkeiten bringen.
»Hej, du Schöne! Was grübelst du schon wieder?«
Kalt und nass von draußen kam Olaf herein.
»Boah, was für ein toller Morgen! Absolut milde Luft! Einfach super!«
Wahrscheinlich gab es nicht allzu viele Menschen, die Olafs Bewertung dieses trüben Novembermorgens geteilt hätten. Es nieselte und eine dicke, diesige Suppe hing über dem Meer, das in dunklen Wellen träge auf den Strand schwappte. Ungestüm schloss der junge Mann Lina in seine Arme.
»Olaf, du bist so nass! Und ich bin bei der Arbeit. Was sollen meine Kunden denken?«
»Ist doch gar keiner da!«
Er drückte Lina einen Kuss auf die Wange. Nur mit halber Kraft versuchte sie, ihn abzuwehren und ließ sich dann doch auf eine innige Umarmung ein. Sie war so froh, mit ihm über alles geredet zu haben und spürte, wie sein Optimismus auf sie übergriff. Für Olaf gab es keine unlösbaren Probleme. Seine oberste Devise war, immer erst einmal abwarten, sacken lassen und dann weitersehen. Auf diese pragmatische Art löste sich so manche verzwickte Sache schon einmal von ganz allein, und alles andere kriegte er in den Griff, daran hatte er nie den geringsten Zweifel.
»Und, wann bekomm ich nun eine Antwort auf meinen absolut spitzenmäßigen Vorschlag?«
»Erst musst du mal die Hunde abtrocknen und ihre Pfoten putzen, sonst hab ich gleich wieder alles schmutzig hier! Und ich hab noch so einiges vorzubereiten und eigentlich gar keine Zeit. Musst du nicht auch zur Arbeit?«
Der junge Mann lachte. Aber er ließ sie los und machte sich auf die Suche nach dem Hundehandtuch, um sich um die Tiere zu kümmern.
»Oh Mann, du bist so cool, Linagirl, weißt du das eigentlich? Du und ich, wir wären das perfekte Team, da bin ich mir sicher!«, rief er über die Schulter.
Dass sie nicht heiraten wollte, schien Olaf mittlerweile begriffen zu haben, und auch dass es nicht an ihm lag, sondern dass Lina mit diesem Thema grundsätzlich nichts mehr zu tun haben wollte. Angesichts ihrer Erfahrungen konnte er das sogar nachvollziehen. Nun hatte er sich in den Kopf gesetzt, dann eben einfach so mit ihr zusammenzuziehen, was sich auch Lina hätte vorstellen können. Aber sein neuestes Projekt, von dem er ihr gestern Abend mit leuchtenden Augen erzählt hatte, erschien ihr nicht realisierbar. Er wollte das elterliche Hotel zum Bio-Hotel umkrempeln, energieeffizient, nachhaltig, mit Abfall- und Energiekreisläufen, Kooperationen mit regionalen Bio-Bauern und eigener CO 2 -Bilanz. An sich wirklich eine großartige Idee – aber Lina konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine Eltern, die noch mit im Betrieb arbeiteten, da mitziehen würden. Und schon gar nicht, wenn Olaf ausgerechnet sie, Alina, geschiedene Stucki, geborene Calese, als seine Arbeits- und Lebenspartnerin präsentieren würde. Nicht nur, dass sie seine Eltern als sehr dominant empfand, sie schienen auch verdammt spießig zu sein. Und schließlich hing
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