Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Madame leckten Dagmar die Hände, die sie ihnen entgegenstreckte, um die Tiere zu streicheln. Die beiden hatten offensichtlich schon begonnen, sie zu lieben. War ihr Instinkt für den Charakter eines Menschen tatsächlich so untrüglich? Dagmar blickte auf.
»Hallo, Alina. Deine Hunde sind wunderschön! Und sehr lieb.«
Die Vernehmungsräume im siebten Stock der Bezirkskriminalinspektion waren fensterlos. Das Kunstlicht bewirkte, dass einem irgendwann das Zeitgefühl abhanden kam. Angermüller warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. Pünktlich würde er es zu Astrids Geburtstagsfeier auf gar keinen Fall mehr schaffen, denn es ging bereits auf halb acht. Aber er hatte heute ja nicht die Rolle des Gastgebers inne, beruhigte er sich, und dass seine Ermittlungen Vorrang hatten, war außer Diskussion.
Eine andere Einladung konnte er heute gar nicht wahrnehmen. Von Anita war eine SMS gekommen, genau wie er es erwartet hatte. Sie war zurück von ihrer Fachtagung aus München und wollte ihn treffen. Er antwortete ihr, dass er heute keine Zeit habe, und schlug den nächsten Abend vor. Normalerweise gehörten SMS nicht zu seinen bevorzugten Kommunikationsmitteln. Doch telefonieren wollte er nicht mit Anita. Vielleicht hätte er doch Astrids Geburtstag erwähnt, und wie mokant die junge Rechtsmedizinerin darauf reagiert hätte, das konnte er sich lebhaft vorstellen.
Tatsächlich schien sich Fabian Köppe besonnen zu haben, denn er erzählte schließlich den Beamten, dass er irgendwann in der Kneipe bei seinem Gespräch mit Lorenzo auf die Idee mit den Gesichtsmasken gekommen war.
»Ich fand das irgendwie passend, stilecht halt.«
Spöttisch verzog er seinen Mund.
»Und bei meiner alten Demoausrüstung hatte ich noch’n paar so Hasskappen. Die hab ich dann schnell geholt.«
Aber er bestritt, dass er und Lorenzo von Anfang an einen exakten Plan für einen Überfall bei Hagebusch ausgeheckt hätten.
»Hatten Sie Victor Hagebusch eigentlich früher mal persönlich kennengelernt?«, erkundigte sich der Kriminalhauptkommissar. Köppe verneinte entschieden.
»Bin dem nie begegnet. Und nach dem, was ich über den weiß, hab ich auch nix verpasst. Im Gegenteil.«
»Ist Ihnen bekannt, dass Hagebusch aktuell sehr intensiv über die Tierschützerszene recherchiert hat?«
»Woher sollte ich das denn wissen?«
Das Gesicht des Medizinstudenten drückte Unverständnis aus.
»Ich weiß nur noch, einmal hat er was über eine unserer Aktionen gegen ein Restaurant geschrieben, das für seine brutalen Massenmorde an Hummern berühmt war. Hunderte Tiere haben die bei lebendigem Leib gekocht. Hummerfestival nannten sie das!«
Er verzog angewidert das Gesicht.
»Aber der Typ hatte überhaupt nichts verstanden. Er hat die ganze Aktion nur ins Lächerliche gezogen. War ein totaler Ignorant.«
Als Jansen ihm das spurensicher eingetütete Gänsestopfrohr präsentierte, zuckte Fabian Köppe erst gleichgültig mit den Schultern, betrachtete es aber intensiv.
»Hey, klar, das ist so ’n Teil, mit dem arme, unschuldige Gänse gequält werden!«, rief er dann. »Ich hab neulich erst so einen Film über Gänsemast in Frankreich gesehen. Liebevoll – das haben die wirklich so gesagt! Liebevoll massieren die Bauern den Gänsen den Hals, während sie gestopft werden. Ist das nicht ein unglaublicher Zynismus? Nur damit irgendwelche Fettsäcke sich mit den Lebern dieser armen Kreaturen noch fetter fressen können!«
Jansen ließ den Zeugen nicht aus den Augen.
»Sonst fällt Ihnen nix dazu ein?«
»Reicht doch, oder?«, gab Köppe hitzig zurück. Er schaute auf das Metall in der Plastiktüte.
»Was hat das Ding eigentlich mit dem Hagebusch zu tun?«
Keiner der beiden Beamten gab eine Antwort. Schließlich ließen Angermüller und Jansen den Medizinstudenten in der Obhut eines Uniformierten zurück und begannen eine zweite Vernehmungsrunde mit Lorenzo Calese. Der junge Mann antwortete nun ohne zu zögern auf alle Fragen. Immer wieder äußerte er zwischendurch die Hoffnung, bald nach Hause gehen zu dürfen. Angermüller und Jansen reagierten darauf vorerst nicht, auch wenn ihnen langsam dämmerte, dass sie kaum etwas in der Hand hatten, das ein Festhalten der beiden Männer im Polizeigewahrsam rechtfertigte. Bis auf ein paar unwesentliche Abweichungen machte Calese die gleichen Angaben wie beim ersten Mal.
»Kann ich jetzt gehen?«
»Wir werden sehen. Es entscheidet sich bald, Herr Calese«, vertröstete ihn
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