Geschmiedet im Feuer
Da war es doch besser, die Frau zu ihm kommen zu lassen.
Er schob das T-Shirt hinter die Glock, um sie leichter erreichen zu können, und beobachtete, wie die Frau die verrostete Wagentür zuknallte und auf ihn zukam.
Marcus Simcosky, oder Cosky, wie ihn seine Teamkameraden und Freunde nannten, sah in der Realität sogar noch besser aus als in der Zeitung oder im Fernsehen. Dieser Mann strahlte eine kalte Intensität aus, die in den Medien einfach nicht rüberkam.
Jilly Michaels steckte die Hände in die Taschen ihres Ponchos, den sie südlich von Portland, Oregon, von einer Wäscheleine hatte mitgehen lassen. Der Poncho war in demselben bedauernswerten Zustand wie die Rostlaube, die sie zur selben Zeit gestohlen hatte. Eigentlich war es ein Wunder, dass der Wagen sie überhaupt bisnach San Diego gebracht hatte. Aber jede Meile, die diese abgenutzten Reifen noch rollten, war eine, die sie nicht per Anhalter zurücklegen musste.
Sie musterte den Mann, wegen dem sie mehrere Tausend Meilen gefahren war, um ihn umzubringen – auch wenn er nicht der Einzige auf ihrer Liste war –, während sie über den Parkplatz marschierte. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so groß, so gebräunt oder so muskulös sein würde. Auch die Selbstsicherheit und Kraft, die er ausstrahlte, verblüfften sie, ebenso wie der leise Hauch von Gefahr. Sie hatte einfach nicht damit gerechnet, dass er so verdammt … einsatzbereit war.
Er hatte tagelang zwischen Leben und Tod geschwebt. Mehrere Wochen im Krankenhaus verbracht. Doch er sah nicht krank, schwach oder eingefallen aus. Nicht so wie sie. Allerdings hatte er sich auch den Luxus erlauben können, sich im Krankenhaus oder in den Häusern von Freunden oder Familienmitgliedern zu erholen. Er war auch nicht auf der Flucht, musste nicht in gestohlenen Autos schlafen, sich aus Mülltonnen ernähren oder in leere Häuser einbrechen und hoffen, genug Bargeld zu finden, um eine Tankfüllung zu bezahlen oder sich etwas zu essen leisten zu können.
Auf einmal hupte jemand und bremste abrupt. Jilly sprang zurück und bemerkte, dass sie vor einen Wagen gelaufen war. Erschrocken sah sie über den Parkplatz und merkte, dass ihr Opfer sie mit kalter Entschlossenheit ansah. Er musste gesehen haben, dass der Wagen auf sie zufuhr, aber er hatte sie nicht gewarnt.
Dieses Arschloch.
Heißer Zorn durchflutete sie. Ihre Finger verkrümmten sich zu Klauen. Sie schob sie tiefer in die Taschen ihres Ponchos. Als ihre Hand gegen den kalten Stahl des Revolvers stieß, griff sie fast schon automatisch danach. Der weit fallende Poncho verbarg die Wölbung der Waffe. Sie musste den Revolver nicht einmal herausziehen, sondern nur auf ihn richten und durch den Stoff schießen. Er würde erst merken, was sie vorhatte, wenn es längst zu spät war.
Und wenn er dann sterbend auf dem Boden lag, der mörderische, verlogene Mistkerl, dann würde sie noch einmal schießen. Und noch mal und noch mal. Ein Schuss für jedes ihrer Kinder und einer für ihren Bruder.
Er würde der Erste sein, der für das bezahlen musste, was sie ihr angetan hatten. Für das, was man ihr genommen hatte.
Er wäre der Erste, aber sie mussten alle dafür büßen. Jeder Einzelne. Dafür würde sie schon sorgen.
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