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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Spekulationen über den Hund und die Katze – und ich war so aufgewühlt von den anderen Ereignissen dieser Nacht –, daß ich bereit war, das Unheimliche im Normalen zu sehen, wo es vielleicht gar nicht wirklich existierte. Mein Herz raste. Ich hatte einen sauren Geschmack im ausgetrockneten Mund. Hätte der Schock mich nicht erstarren lassen, wäre ich aufgesprungen und hätte den Stuhl umgestoßen. Fünf Sekunden länger, und ich hätte mich vielleicht trotzdem noch zum Narren gemacht, aber Roosevelt ersparte mir diese Beschämung. Er war entweder von Natur aus sorgsam abwägender als ich, oder er hatte so lange mit dem Unheimlichen gelebt, daß er schnell wahren Schrecken von falschem unterscheiden konnte.
    »Ein Graureiher«, sagte er. »Auf einem kleinen nächtlichen Fischzug.«
    Ich kannte den Amerikanischen Graureiher genauso gut wie jeden anderen Vogel, der in und um Moonlight Bay lebte. Nun, da Roosevelt unseren Besucher beim Namen genannt hatte, erkannte ich ihn als das, was er war.
    Wir können den Anruf bei Mr. Spielberg absagen. Das ist kein Stoff für einen Film.
    Zu meiner Verteidigung möchte ich feststellen, daß dieser Reiher trotz seiner eleganten Physiologie und seines unbestreitbaren Anmuts eine starke Raubtieraura und einen kalten reptilischen Blick hat, die ihn als Überlebenden des Zeitalters der Dinosaurier zu erkennen geben.
    Der Vogel stand ganz am Ende des Nebenpiers und spähte eindringlich ins Wasser. Plötzlich beugte er sich vor, der Kopf schoß hinab, der Schnabel fuhr ins Wasser der Bucht, kam mit einem kleinen Fisch wieder hoch, und er warf den Kopf zurück und verschluckte den Fang. Einige sterben, damit andere leben können.
    Wenn man bedachte, wie übereilt ich diesem ganz normalen Reiher übernatürliche Eigenschaften zugeschrieben hatte, mußte ich mich fragen, ob ich der Episode mit der Katze und dem Hund nicht ebenfalls mehr Bedeutung zusprach, als ihr zukam. Überzeugung wich dem Zweifel. Die gewaltige anstürmende Welle der Epiphanie zog sich auf einmal abrupt zurück, und eine wirbelnde Flut der Verwirrung schlug wieder über mir zusammen.
    Roosevelt lenkte meine Aufmerksamkeit vom Bildschirm weg auf sich. »In den Jahren, seit Gloria Chan mich die Interspezies-Kommunikation gelehrt hat, die praktisch nur darin besteht, ein überirdisch guter Zuhörer zu sein, ist mein Leben unermeßlich reicher geworden.«
    »Ein überirdisch guter Zuhörer«, wiederholte ich und fragte mich, ob Bobby noch imstande sein würde, eine seiner wunderbar unterhaltenden spöttischen Bemerkungen über einen verrückten Ausbruch wie diesen fallen zu lassen. Vielleicht hatten seine Erfahrungen mit den Affen ein permanentes Defizit sowohl an Sarkasmus als auch an Skepsis bei ihm zurückgelassen. Ich wollte es nicht hoffen. Veränderung mochte zwar ein fundamentales Prinzip des Universums sein, doch manche Dinge mußten einfach zeitlos bleiben, darunter auch Bobbys Beharren auf ein Leben, das nur so grundlegenden Dingen wie Sand, Surfen und Sonne galt.
    »Ich habe es sehr genossen, daß im Lauf der Jahre so viele Tiere zu mir gekommen sind«, sagte Roosevelt so trocken, als wäre er ein Tierarzt, der sich seiner zurückliegenden Laufbahn in der Tiermedizin entsinnt. Er griff nach Rumpelmauser, streichelte ihr den Kopf und kraulte sie hinter den Ohren. Die Katze lehnte sich in die große Hand des Mannes und schnurrte. »Aber diese neuen Katzen, denen ich in den letzten zwei Jahren oder so begegnet bin… sie öffnen eine viel aufregendere Dimension der Kommunikation.« Er wandte sich Orson zu. »Und ich bin sicher, daß du genauso interessant wie die Katzen bist.«
    Hechelnd, mit heraushängender Zunge, nahm Orson einen Ausdruck der absoluten hündischen Leere an.
    »Hör zu, Hund, du hast mich nie getäuscht«, versicherte Roosevelt ihm. »Und nach deinem kleinen Spielchen mit der Katze gerade könntest du jetzt aufhören, dich zu verstellen.«
    Orson ignorierte Rumpelmauser und schaute zu den drei Hundekuchen vor sich auf dem Tisch hinab.
    »Du kannst so tun, als wärest du furchtbar gierig, als gäbe es für dich nichts Wichtigeres auf der Welt als diese Leckerbissen, aber ich weiß es besser.«
    Orson ließ die Hundekuchen nicht aus den Augen und japste sehnsüchtig.
    »Du warst es, der Chris damals zum ersten Mal hierher geführt hat, alter Junge«, sagte Roosevelt. »Warum bist du überhaupt gekommen, wenn nicht, um zu reden?«
    An Heiligabend vor über zwei Jahren, keinen Monat vor dem Tod

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