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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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oder zu sehen geglaubt – hatte, war nach einem Blinzeln schon wieder vorbei, und ich fand mich zitternd und zutiefst verwirrt wieder, von der außergewöhnlichen Wahrnehmung überwältigt, mich in der Gegenwart von etwas Unheimlichem und Boshaftem zu befinden, ohne die genaue Ursache dieses Gefühls bezeichnen zu können.
    Chief Stevenson hielt eine bedrohlich aussehende Pistole in der rechten Hand. Obwohl er keine Schußhaltung eingenommen hatte, war sein Griff um die Waffe nicht gerade ungezwungen. Die Mündung war auf Orson gerichtet, der mir zwei Schritte voraus war und im äußeren Bogen des Lampenlichts stand, während ich im Schatten blieb.
    »Willst du wissen, in was für einer Stimmung ich bin?« fragte Stevenson und blieb keine drei Meter von uns entfernt stehen.
    »In keiner guten«, sagte ich probeweise.
    »Ich bin in der Stimmung, mich nicht verarschen zu lassen.«
    Der Chief klang kaum so wie der Mann, der er immer gewesen war. Seine Stimme war vertraut, das Timbre und der Akzent hatten sich nicht verändert, aber wo zuvor stille Autorität gewesen war, hörte man nun Härte heraus. Normalerweise sprach er sehr fließend, und man glitt fast auf seinen Worten dahin; sie waren ruhig und warm und selbstsicher. Doch nun war der Fluß schnell und turbulent, kalt und stechend.
    »Ich fühle mich nicht gut«, sagte er. »Ich fühle mich ganz und gar nicht gut. Ich fühle mich sogar beschissen, und ich habe nicht viel Geduld für etwas, was mich in eine noch schlechtere Stimmung bringt. Hast du mich verstanden?«
    Obwohl ich ihn nicht ganz verstand, nickte ich. »Ja«, sagte ich. »Ja, Sir, ich habe verstanden.«
    Orson stand so still da, als wäre er aus Gußeisen, und sein Blick wich nicht von der Mündung der Pistole des Chiefs.
    Mir wurde überdeutlich bewußt, daß der Jachthafen zu dieser Stunde ein gottverlassener Ort war. Das Büro und die Tankstelle waren nach achtzehn Uhr nicht mehr besetzt. Außer Roosevelt Frost wohnten nur fünf Schiffseigentümer auf ihren Booten, und sie schliefen um diese Zeit zweifellos fest. Die Docks waren nicht weniger einsam als die Granitreihen der ewigen Liegeplätze im Friedhof der St. Bernadette.
    Der Nebel dämpfte unsere Stimmen. Wahrscheinlich würde niemand unser Gespräch hören und von ihm angezogen werden.
    Stevenson hielt seine Aufmerksamkeit auf Orson gerichtet, wandte sich aber an mich. »Ich kann nicht kriegen, was ich brauche«, sagte er, »weil ich nicht mal weiß, was ich brauche. Ist das nicht beschissen?«
    Ich spürte, daß der Mann jeden Augenblick zerbrechen konnte und sich nur mit Mühe zusammenriß. Er hatte die edle Seite seines Wesens verloren. Selbst seine Stattlichkeit glitt davon, während sich die Elemente seines Gesichts in einer neuen Konfiguration fanden, die Wut und zugleich starke Angst zeigte.
    »Hast du je diese Leere gespürt, Snow? Hast du je eine so schlimme Leere gefühlt, daß du sie ausfüllen mußt oder andernfalls sterben wirst, aber du weißt nicht, wo die Leere ist, oder womit du sie, bei Gott, ausfüllen sollst?«
    Nun verstand ich ihn überhaupt nicht mehr, aber er war wohl kaum in der Stimmung für genauere Erklärungen, und so schaute ich ernst drein und nickte mitfühlend. »Ja, Sir. Ich kenne das Gefühl.«
    Seine Stirn und die Wangen waren feucht, aber nicht von der naßkalten Luft; er glitzerte geradezu vor fettigem Schweiß. Sein Gesicht war so unnatürlich weiß, daß der Nebel aus ihm zu strömen schien und kalt auf seiner Haut verkochte, als sei er der Vater allen Nebels. »In der Nacht überkommt einen das ganz schlimm«, sagte er.
    »Ja, Sir.«
    »Es kann einen jederzeit überkommen, aber in der Nacht ist es am schlimmsten.« Sein Gesicht zuckte, vielleicht vor Abscheu. »Was für eine verdammte Hunderasse ist das überhaupt?«
    Sein Waffenarm versteifte sich, und ich glaubte zu sehen, daß er den Finger um den Abzug krümmte.
    Orson bleckte die Zähne, bewegte sich aber nicht und gab kein Geräusch von sich.
    »Er ist nur so ein Labradormischling«, sagte ich schnell. »Er ist ein guter Hund, würde keiner Katze was tun.«
    Stevensons Ärger schwoll aus keinem ersichtlichen Grund an. »Nur so ein Labradormischling, was?« sagte er. »Verdammt, das kannst du mir nicht erzählen. Nichts ist nur irgend etwas. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht mehr.«
    Ich überlegte, ob ich nach der Glock in meiner Jacke greifen sollte. Ich hielt das Fahrrad mit der linken Hand. Die rechte war frei, und die Pistole befand sich in

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