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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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der rechten Tasche.
    Doch so durcheinander Stevenson auch sein mochte, er war trotzdem ein Cop, und ich war überzeugt, daß er auf jede drohende Bewegung, die ich machte, mit tödlicher Professionalität reagieren würde. Ich setzte nicht viel Vertrauen in Roosevelts seltsame Versicherung, daß man mich verehrte. Selbst wenn ich das Fahrrad umkippen ließ, um ihn abzulenken, würde Stevenson mich erschießen, bevor ich die Glock aus der Tasche bekam.
    Außerdem würde ich keine Waffe auf den Polizeichef richten, es sei denn, mir blieb keine andere Wahl, als sie auch zu benutzen. Und sollte ich ihn erschießen, wäre das das Ende meines Lebens, eine Verdunkelung der Sonne.
    Abrupt riß Stevenson den Kopf hoch und wandte den Blick von Orson ab. Er atmete einmal tief ein, und dann mehrmals schnell hintereinander und ganz flach, schnüffelte praktisch wie ein Jagdhund, der die Fährte seiner Beute aufgenommen hatte. »Was ist das?«
    Sein Geruchssinn war offenbar schärfer als der meine, denn erst jetzt merkte ich, daß eine fast nicht wahrnehmbare Brise einen schwachen Hinweis auf den Gestank zu uns hinübertrug, der von dem sich zersetzenden Meerestier unter dem Hauptpier stammte.
    Obwohl Stevenson sich schon so seltsam benahm, daß meine Kopfhaut sich zu falschem Kordsamt zusammenzog, wurde er jetzt noch seltsamer. Er spannte den Körper an, zog die Schultern hoch, reckte den Hals und hob das Gesicht in den Nebel, als würde er den Verwesungsgeruch geradezu genießen. Die Augen in dem bleichen Gesicht leuchteten wie im Fieber, und er sprach nicht mit der zurückhaltenden Neugier eines Cops, sondern mit einer eifrigen, nervösen Stimme, die mir fast schon pervers vorkam. »Was ist das? Riechst du das? Irgend etwas Totes, oder?«
    »Irgend etwas unter dem Pier«, bestätigte ich. »Irgendein Fisch, glaube ich.«
    »Tot. Tot und verwesend… Etwas… Es hat etwas an sich, oder?« Er schien sich die Lippen lecken zu wollen. »Ja. Ja. Ganz bestimmt. Es hat etwas Interessantes an sich.«
    Entweder hörte er das unheimliche elektrische Knistern in seiner Stimme, oder er spürte meine Beunruhigung, denn er warf mir einen besorgten Blick zu und kämpfte darum, sich zusammenzureißen. Es war ein Kampf. Er schwankte auf einem zerbrechenden Sims der Gefühle.
    Schließlich fand der Chief seine normale Stimme wieder – oder zumindest etwas, was ihr nahekam. »Ich muß mit dir reden, eine Verständigung erzielen. Jetzt. Heute nacht. Warum begleitest du mich also nicht einfach, Snow?«
    »Wohin?«
    »Mein Streifenwagen steht vor dem Eingang.«
    »Aber mein Fahrrad…«
    »Ich will dich nicht verhaften. Nur eine kurze Plauderei. Wir müssen sichergehen, daß wir einander verstehen.«
    Ich wollte auf keinen Fall mit Stevenson in einen Streifenwagen steigen. Aber wenn ich mich weigerte, würde er seine Einladung vielleicht offizieller machen, indem er mich in Gewahrsam nahm.
    Und wenn ich meiner Verhaftung dann Widerstand leistete, wenn ich auf mein Fahrrad stieg und so kräftig in die Pedale trat, daß die Achse qualmte – wohin sollte ich überhaupt fahren? Die Dämmerung war nur noch ein paar Stunden entfernt, und ich würde auf diesem einsamen Küstenstreifen vor Tagesanbruch noch nicht einmal die nächste Stadt erreichen. Selbst wenn ich genug Zeit hätte, begrenzte XP meine Welt auf die Stadtgrenzen von Moonlight Bay, wo ich vor Sonnenaufgang nach Hause zurückkehren oder einen verständnisvollen Freund aufsuchen konnte, der mich aufnehmen und mir Dunkelheit gewähren würde.
    »Ich bin in einer ganz bestimmten Stimmung«, sagte Steven-son wieder, durch halb zusammengebissene Zähne, und die Härte kehrte in seine Stimme zurück. »Ich bin echt mies drauf.
    Kommst du mit?«
    »Ja, Sir. Ich hab kein Problem damit.«
    Er winkte mit der Pistole und bedeutete mir, daß Orson und ich vorgehen sollten.
    Ich schob mein Rad zum Ende des Piers, obwohl ich es verabscheute, den Chief mit der Pistole ständig hinter mir zu haben. Ich mußte kein Tier-Kommunikator sein, um zu wissen, daß auch Orson nervös war.
    Die Pierplanken endeten in einem Betongehsteig, der auf beiden Seiten von Blumenbeeten voller Eiskraut flankiert wurde, dessen Blüten sich im Sonnenschein weit öffnen und sich des Nachts schließen. In der schwachen Beleuchtung krochen Schnecken mit funkelnden Fühlern über den Weg und ließen silberne Schleimspuren zurück. Einige bewegten sich von den Eiskrautbeeten auf der rechten Seite zu den identischen Beeten auf der

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