Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
diese mildernden Umstände änderten nichts an der moralischen Verwerflichkeit der Tat. Seine leeren Augen, schwarz vor Tod, verfolgten mich. Der Mund, zu einem stummen Schrei geöffnet, die blutbefleckten Zähne. Solch einen Anblick kann man verhältnismäßig leicht aus dem Gedächtnis abrufen, jedenfalls viel leichter als Erinnerungen an ein Geräusch oder einen Geschmack oder ein Tastgefühl; und praktisch unmöglich ist es, einen Geruch wahrzunehmen, indem man ihn einfach aus dem Gedächtnis hervorruft. Doch gerade hatte ich mich an den Duft des Shampoos meiner Mutter erinnert, und nun kam mir der metallische Gestank von Stevensons frischem Blut so durchdringend vor, daß er mich über die Mülltonne zwang, als stünde ich an der Reling eines schwankenden Schiffes.
    In Wirklichkeit war ich nicht nur von dem Umstand erschüttert, daß ich ihn getötet hatte, sondern auch davon wie ich die Leiche und alle Beweise mit forscher Zielstrebigkeit und Selbstbeherrschung vernichtet hatte. Offensichtlich hatte ich das Zeug zu einem kriminellen Dasein. Ich kam mir vor, als wäre ein Teil der Dunkelheit, in der ich seit achtundzwanzig Jahren lebte, in mich hineingesickert und hätte sich in einer mir bislang unbekannten Kammer meines Herzens mit mir vereinigt.
    Ich hatte mich zwar erbrochen, fühlte mich aber nicht unbedingt besser. Ich stieg wieder auf das Rad und führte Orson über mehrere Seitenwege zur Shell-Tankstelle an der Ecke San Rafael Avenue und Palm Street. Die Tankstelle war geschlossen. Das einzige Licht im Innern des Gebäudes stammte von einer blauen Neonwanduhr hinter der Kasse, und das einzige Licht draußen vom Getränkeautomaten.
    Ich zog eine Dose Pepsi, um den sauren Geschmack aus meinem Mund zu spülen. Dann drehte ich den Wasserhahn neben den Zapfsäulen auf und wartete, bis Orson getrunken hatte.
    »Was für ein schrecklich glücklicher Hund du doch bist, daß du einen so rücksichtsvollen Herrn hast«, sagte ich. »Er kümmert sich immer darum, daß du zu trinken und zu essen bekommst und gestriegelt wirst. Und er ist stets bereit, jeden zu töten, der die Hand gegen dich erhebt.«
    Der suchende Blick, mit dem er mich bedachte, war selbst im Halbdunkeln irritierend. Dann leckte er meine Hand.
    »Ich nehme deine Dankbarkeit zur Kenntnis«, sagte ich.
    Er schleckte wieder an dem fließenden Wasser und schüttelte davon seine tropfnasse Schnauze, nachdem er fertig war.
    »Woher hat Mama dich eigentlich wirklich bekommen?« sagte ich, als ich den Hahn wieder zudrehte.
    Er sah mir wieder in die Augen.
    »Was für ein Geheimnis hat meine Mutter bewahrt?«
    Sein Blick war standhaft. Er kannte die Antworten auf meine Fragen. Er wollte sie mir nur nicht verraten.

27
    Gott lungerte vielleicht tatsächlich in der Kirche St. Bernadette herum und spielte mit einer Begleitband aus Engeln Gitarre oder eine Partie Geistesschach. Vielleicht war er dort in einer Dimension, die wir nicht sehen können, und zeichnet Entwürfe für neue Universen, in denen solche Probleme wie Haß und Ignoranz und Krebs und Fußpilz bei Hochleistungssportlern schon im Planungsstadium eliminiert werden. Vielleicht trieb er hoch über den Kirchenbänken aus polierter Eiche, als schwimme er in einem Teich, der mit Wolken würzigen Weihrauchs und demütiger Gebete statt mit Wasser gefüllt war, und stieß immer wieder leise gegen die Säulen und die Ecken der Kathedralendecke, während er verträumt meditierte und auf die Gemeindemitglieder wartete, die zu ihm kamen, damit er ihre Probleme löste.
    In dieser Nacht jedoch, davon war ich überzeugt, hielt Gott Abstand von dem Pfarrhaus neben der Kirche, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte, als ich daran vorbeiradelte. Die Architektur des zweistöckigen Steinhauses entsprach – wie die der Kirche selbst – einem modifizierten normannischen Baustil, bei dem man einige der französischen Kanten abgeschliffen hatte, damit es besser ins angenehmere Klima Kaliforniens paßte. Die sich überlappenden Ziegel aus schwarzem Schiefer auf dem steilen, vor Nebel nassen Dach waren so panzerdick wie die Schuppen auf der wulstigen Stirn eines Drachens, und hinter den leeren, schwarzen Augen des Fensterglases – einschließlich der beiden kleinen runden neben der Eingangstür – lag ein seelenloses Reich. Das Pfarrhaus hatte auf mich noch nie zuvor furchteinflößend gewirkt, und ich wußte, daß ich es nun lediglich wegen der Szene zwischen Jesse Pinn und Father Tom, die ich im Keller

Weitere Kostenlose Bücher