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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Formen auf dem Beton vorbei, darauf bedacht, sie nicht mal mit den Schuhen zu berühren. Als ich dann in der nächsten Gerade des abwärts führenden Tunnels stand, drehte ich mich um, um diese eigentümliche Entdeckung zu begutachten.
    Als ich die Flamme des Feuerzeugs höher drehte, entdeckte ich, daß sich dort keine Pilze, sondern zahlreiche Schädel befanden. Die zerbrechlichen Schädel von Vögeln. Die langgezogenen Schädel von Eidechsen. Die größeren Schädel von Tieren, bei denen es sich vielleicht um Katzen gehandelt hatte, um Hunde, Waschbären, Stachelschweine, Kaninchen, Eichhörnchen…
    Kein einziger Fetzen Fleisch haftete mehr an diesen Totenköpfen, so, als wären sie abgekocht worden: gelb und gelblich weiß im Gaslicht, Dutzende davon, vielleicht einhundert. Keine Beinknochen, keine Brustkörbe, nur Schädel. Sie lagen in drei Reihen ordentlich nebeneinander – zwei auf der untersten und eine auf der vorletzten Stufe – und waren nach vorn ausgerichtet, als sollten sie, selbst mit leeren Augenhöhlen, hier irgend etwas beobachten.
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was ich davon halten sollte. Ich sah keine Schriftzeichen eines Satanskults auf den Kanalwänden, keinerlei Anzeichen für irgendwelche makabren Zeremonien, und doch hatte die Anordnung zweifellos einen symbolischen Zweck. Der Umfang der Schädelsammlung deutete auf Besessenheit hin, und die Grausamkeit, die mit einem so massenhaften Töten und Enthaupten einherging, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
    Ich entsann mich der Faszination des Todes, die mich und Bobby Halloway ergriffen hatte, als wir dreizehn waren, und fragte mich, ob irgendein Kind dieses abscheuliche Gemetzel angerichtet hatte, das noch viel seltsamer war als das, was wir je zustande gebracht hatten. Kriminologen behaupten, daß die meisten Serienmörder im Alter von drei oder vier Jahren anfangen, Insekten zu quälen und zu töten, dann während der Kindheit und Pubertät zu kleinen Tieren übergehen und sich schließlich Menschen widmen. Vielleicht bereitete sich in diesen Katakomben ein besonders bösartiger junger Mörder auf sein Lebenswerk vor.
    In der Mitte der dritten und höchsten Reihe dieser knochigen Fratzen lag ein schimmernder Schädel, der sich auffällig von allen anderen unterschied. Er schien menschlich zu sein. Klein, aber menschlich. Wie der Schädel eines Babys.
    »O Gott.«
    Meine Stimme hallte an den Betonwänden entlang flüsternd zu mir zurück.
    Mehr denn je kam ich mir vor, als befände ich mich in einer Traumlandschaft, in der sogar solche Dinge wie Beton und Knochen nicht substantieller waren als Rauch. Dennoch streckte ich nicht die Hand aus, um den kleinen Menschenschädel zu berühren – oder einen der anderen. Wie unwirklich sie auch erscheinen mochten, wußte ich jedoch, daß sie sich unter der Berührung kalt, glatt und zu materiell anfühlen würden.
    Darauf bedacht, eine Begegnung mit demjenigen zu vermeiden, der diese scheußliche Sammlung angelegt hatte, setzte ich den Weg durch den Kanal fort.
    Ich rechnete damit, daß die Katze mit den rätselhaften Augen wieder auftauchte, bleiche Pfoten federleicht über Beton scharrten, doch entweder blieb sie außerhalb meines Blickfeldes, oder sie war schon längst in einen der Nebenkanäle abgebogen.
    Nun wechselten sich Abschnitte des abfallenden Betonrohrs mit weiteren Überläufen ab, und als ich allmählich schon befürchtete, das Feuerzeug enthielte nicht mehr genug Gas, um mich in Sicherheit zu bringen, erschien vor mir ein Kreis aus schwachem, grauen Licht und wurde allmählich heller. Ich eilte darauf zu und stellte fest, daß das untere Ende des Tunnels, der in einen offenen Abflußkanal aus vermörteltem Flußgestein führte, nicht mit einem Gitter versehen war.
    Endlich befand ich mich wieder in vertrautem Terrain, am nördlichen Ausläufer der Stadt. Ein paar Häuserblocks vom Meer, einen halben von der High School entfernt.
    Nach dem dunklen Tunnel roch die Nachtluft nicht nur frisch, sondern süß. Die Gipfelpunkte des polierten Himmels funkelten diamantenweiß.

9
    Der digitalen Leuchttafel am Gebäude der Wells Fargo Bank zufolge war es 19.56 Uhr, was bedeutete, daß mein Vater noch keine drei Stunden tot war, obwohl Tage vergangen zu sein schienen, seit ich ihn verloren hatte. Dasselbe Schild gab die Temperatur mit fünfzehn Grad Celsius an, doch mir kam die Nacht kälter vor.
    Um die Ecke des Bankgebäudes herum, am Ende des Häuserblockes,

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