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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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mir auf der Straße vorbei, und als ich zu Boden schaute, sah ich, wie mein Schatten an meinen reglosen Beinen zog, sich von meiner linken Seite zu meiner rechten erstreckte, nicht nur länger wurde, sondern auf dem Betonbürgersteig auch schwärzer, wie er versuchte, sich von mir loszureißen und zu fliehen – aber dann zurück nach links schnappte, als der Wagen vorbeigefahren war.
    »Manuel, du kannst etwas für mich tun, etwas, was wichtiger ist als Tamales.«
    »Du mußt es nur sagen, Chris.«
    »Es hat mit meinem Dad zu tun«, sagte ich nach langem Zögern. »Mit seiner Leiche.«
    Manuel zögerte ebenfalls. Sein nachdenkliches Schweigen entsprach dem Verhalten einer Katze, die interessiert die Ohren spitzte.
    Er hörte offenbar mehr in meinen Worten, als sie eigentlich zu vermitteln schienen. Als er fortfuhr, hatte sich sein Ton geändert, noch immer die Stimme eines Freundes, aber auch jene härtere eines Polizisten. »Was ist passiert, Chris?«
    »Es ist ziemlich unheimlich.«
    »Unheimlich?« sagte er und kostete das Wort aus, als habe es einen unerwartet angenehmen Geschmack.
    »Ich möchte am Telefon wirklich nicht darüber sprechen. Können wir uns auf dem Parkplatz treffen, wenn ich zum Revier rüberkomme?«
    Ich konnte nicht erwarten, daß die Polizei alle Lampen im Büro ausschaltete, um meine Aussage bei Kerzenschein entgegenzunehmen.
    »Sprechen wir über eine Straftat?« fragte Manuel.
    »Allerdings. Und zwar über eine unheimliche.«
    »Chief Stevenson macht heute Überstunden. Er ist noch hier, aber nicht mehr lange. Soll ich ihn bitten, auf dich zu warten?« Im Geiste sah ich das augenlose Gesicht des toten Anhalters. »Ja«, sagte ich. »Ja, Stevenson dürfte das auch interessieren.«
    »Kannst du in zehn Minuten hier sein?«
    »Bis gleich.«
    Ich legte den Hörer auf, schnappte die Mütze vom Gitterkäfig, drehte mich zur Straße um und schirmte die Augen mit einer Hand ab, als zwei weitere Autos vorbeifuhren. Eines war ein ziemlich neuer Saturn. Das andere ein Chevy-Pickup.
    Kein weißer Kastenwagen. Kein Leichenwagen. Kein schwarzer Hummer.
    Ich befürchtete eigentlich nicht, daß die Suche nach mir noch weiterging. Mittlerweile würde die Leiche des Anhalters im Feuerbestattungsofen verkohlt sein. Nachdem die Beweise zu Asche reduziert waren, gab es nichts mehr, was meine bizarre Geschichte noch bestätigen konnte. Sandy Kirk, die Pfleger und all die namenlosen anderen würden sich in Sicherheit wiegen können.
    Der Versuch, mich zu töten oder zu entführen, würde jetzt sogar das Risiko mit sich bringen, Zeugen für dieses Verbrechen zu produzieren, mit denen man sich dann wiederum befassen müßte, was die Wahrscheinlichkeit erhöhte, daß es noch mehr Zeugen gab. Diesen geheimnisvollen Verschwörern nutzte nun eher Diskretion als Aggression – besonders, da ihr einziger Ankläger der komische Kauz der Stadt war, der nur zwischen Abend- und Morgendämmerung aus seinem mit schweren Vorhängen verhangenen Haus kam, der die Sonne fürchtete, der nur dank Umhängen und Schleiern und Kapuzen und Sonnenschutzmilch überleben konnte, der selbst nachts nur unter einem Schutzschild aus Kleidung und Chemikalien durch die Stadt schlich.
    Angesichts der haarsträubenden Natur meiner Beschuldigungen würde meine Geschichte nur wenigen glaubhaft vorkommen; ich war mir aber sicher, Manuel würde wissen, daß ich die Wahrheit sagte. Ich hoffte, auch der Chief würde mir glauben.
    Ich trat vom Telefon vor dem Postamt zurück und machte mich auf den Weg zum Polizeirevier. Es war nur ein paar Blocks entfernt.
    Als ich durch die Nacht eilte, überlegte ich, was ich Manuel und seinem Boss sagen würde, einem beeindruckenden Mann, dem ich gut vorbereitet unter die Augen treten wollte. Steven-son war groß, breitschultrig und athletisch und hatte ein so edles Gesicht, daß man sein Profil unbesehen auf eine antike römische Münze hätte prägen können. Manchmal kam er mir wie ein Schauspieler vor, der die Rolle eines hingebungsvollen Polizeichefs nur spielte; wenn es allerdings nur eine Darstellung war, dann eine preiswürdige. Mit zweiundfünfzig Jahren erweckte er – ohne sich offensichtlich darum zu bemühen – den Eindruck, viel weiser zu sein, als es seinem Alter entsprach, und gebot aus diesem Grund problemlos Respekt und Vertrauen. Er hatte etwas von einem Psychologen und etwas von einem Priester an sich – Eigenschaften, die jemand in seiner Position brauchte, die aber nur wenige hatten. Er war

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