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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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erklangen. Im Haus blieb alles ruhig, aber es war eine zitternde Stille, wie die Oberflächenspannung auf einem Teich.
    Der Hund tapste auch nicht in Dads Zimmer oder Bad herum. Und auch nicht in dem begehbaren Schrank.
    Von Sekunde zu Sekunde wuchs meine Besorgnis um das Tier. Wer auch immer die Glock auf mein Bett gelegt hatte, hätte auch Orson mitnehmen oder töten können.
    Ich kehrte in mein Zimmer zurück und kramte aus einer Schreibtischschublade eine Ersatzsonnenbrille hervor. Sie befand sich in einem Etui mit Klettverschluß, und ich steckte es in meine Hemdtasche.
    Dann warf ich einen Blick auf meine Armbanduhr, auf der die Zeit mit Leuchtdioden angegeben wurde.
    Schließlich schob ich die Rechnung und den Fragebogen der Polizei schnell wieder in den Umschlag von Thors Waffenladen zurück. Ob es sich nun um einen weiteren Beweis oder lediglich um Abfall handelte, ich versteckte ihn zwischen der Matratze und den Sprungfedern meines Bettes.
    Das Datum des Kaufs kam mir wichtig vor. Plötzlich kam mir alles wichtig vor.
    Die Pistole behielt ich bei mir. Vielleicht war es eine Falle, genau wie in den Filmen, doch mit einer Waffe fühlte ich mich sicherer. Ich wünschte nur, ich hätte gewußt, wie man sie benutzt.
    Die Tasche meiner Lederjacke war tief genug, um die Pistole zu verbergen. Sie hing dann aber nicht wie ein Gewicht aus totem Stahl in meiner rechten Tasche, sondern wie ein Lebewesen, wie eine träge, aber nicht gänzlich schlafende Schlange. Wenn ich mich bewegte, schien sie sich langsam zu winden: fett und schwerfällig, ein glitschiges Gewirr dicker Windungen.
    Als ich nach unten gehen wollte, um nach Orson zu suchen, fiel mir eine bestimmte Julinacht ein, in der ich ihn vom Fenster meines Zimmers aus beobachtet hatte, wie er im Garten saß, den Kopf geneigt, um die Schnauze in den Wind zu heben von irgend etwas im Himmel gebannt, tief in einer seiner verwirrendsten Stimmungen verloren. Er hatte nicht geheult, und auf jeden Fall war der Sommerhimmel mondlos gewesen; das Geräusch, das er von sich gab, war weder ein Winseln noch ein Jaulen, sondern ein ganz eigentümliches und beunruhigendes Wimmern.
    Nun hob ich an eben diesem Fenster die Jalousie und sah ihn unten im Garten. Er grub emsig ein schwarzes Loch in den vom Mond versilberten Rasen. Das war seltsam, denn normalerweise wußte er sich zu benehmen und buddelte nie.
    Während ich zuschaute, ließ Orson von der Stelle ab, an der er wütend mit den Krallen gescharrt hatte, ging etwa einen Meter nach rechts und schickte sich dann an, ein neues Loch zu graben. Eine gewisse Raserei schien sein Verhalten zu bestimmen.
    »Was ist los, Junge?« fragte ich mich, während im Garten unter mir der Hund grub und grub und grub.
    Als ich hinabging – die Glock wand sich schwer in meiner Jackentasche –, mußte ich an jene Nacht im Juli denken, als ich in den Garten gegangen war und mich neben den winselnden Hund gesetzt hatte…
    Seine Schreie waren so dünn wie das Pfeifen und Zischen eines Glasbläsers gewesen, der über eine Flamme eine Vase formt, und so leise, daß sie nicht mal unsere nächsten Nachbarn stören konnten, aber in ihrem Klang lag ein solches Elend, daß ich von ihnen geradezu erschüttert wurde. Mit seinem Jaulen formte er ein Leid, das dunkler als das dunkelste Glas und von der Form her seltsamer als alles war, was ein Glasbläser blasen konnte.
    Er war nicht verletzt und schien auch nicht krank zu sein. Soweit ich es sagen konnte, schien der Anblick der Sterne selbst solche Qualen in ihm hervorzurufen. Doch wenn ein Hund tatsächlich so schlecht sehen kann, wie es immer heißt, dann kann er auch die Sterne sicher nicht gut oder vielleicht gar nicht sehen. Und warum sollten Sterne überhaupt solche Qualen bei Orson verursachen, oder die Nacht, die nicht dunkler war als andere Nächte zuvor? Trotzdem schaute er gen Himmel, gab gequälte Geräusche von sich und reagierte nicht auf meine beruhigende Stimme.
    Als ich eine Hand auf seinen Kopf legte und seinen Rücken streichelte, spürte ich, daß ihn ein heftiges Zittern durchlief. Er sprang auf und tapste davon, nur, um sich umzudrehen und mich aus der Ferne zu betrachten, und ich schwöre, in diesem Augenblick haßte er mich. Er liebte mich wahrscheinlich wie immer; er war schließlich mein Hund und konnte nicht anders, als mich zu lieben; aber gleichzeitig haßte er mich eindringlich. In der warmen Juliluft spürte ich förmlich den kalten Haß, den er ausstrahlte. Er lief auf dem

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