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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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in ihren Brandy, während ich an meinem nippte. Er schmeckte nicht mehr so angenehm wie vorhin. Irgendwie schmeckte ich auf einmal eine unterschwellige Bitterkeit, die mich daran erinnerte, daß man aus Aprikosenkernen Blausäure gewinnen kann.
    Ein Trinkspruch auf das Ende der Welt bringt einen dazu, sich auf das dunkle Wesen aller Dinge zu konzentrieren, sogar das in einer einfachen Frucht.
    Dann gewann mein unverbesserlicher Optimismus wieder die Oberhand, und ich nahm einen Schluck und setzte alles daran, nur den Geschmack wahrzunehmen, an dem ich mich zuvor so erfreut hatte.
    »Es vergeht keine Viertelstunde«, fuhr Angela fort, »dann kommen drei Männer, die Rod mit seinem Anruf aufgescheucht hat. Sie müssen mit einem Krankenwagen oder so als Tarnung von Wyvern herübergekommen sein, auch wenn ich keine Sirene gehört habe. Und keiner von ihnen trägt Uniform. Zwei kommen hinten herum, öffnen die Tür und betreten die Küche, ohne anzuklopfen. Der dritte muß das Schloß der Haustür geknackt haben und kommt vorn rein, so leise wie ein Geist, denn er tritt im gleichen Augenblick auf die Schwelle zum Eßzimmer, in dem die beiden anderen hinten reinkommen. Rod hat die Pistole noch immer auf den Affen gerichtet – sein Arm zittert schon vor Erschöpfung –, und die drei anderen sind mit Betäubungsgewehren bewaffnet.«
    Ich dachte an die stille, von Lampen erhellte Straße draußen, die bezaubernde Architektur des Hauses, die beiden Magnolien, den von Jasmin überwucherten Laubengang. Niemand, der an jenem Abend hier vorbeigegangen wäre, wäre auf den Gedanken gekommen, was für ein seltsames Drama sich innerhalb dieser gewöhnlichen Stuckwände abspielte.
    »Der Affe schien sie regelrecht erwartet zu haben«, sagte Angela. »Er ist nicht besorgt, versucht nicht zu fliehen. Einer trifft ihn mit einem Pfeil. Er bleckt die Zähne und zischt, versucht aber nicht mal, die Nadel herauszuziehen. Er läßt den Rest der zweiten Mandarine fallen, bemüht sich, den Bissen runterzuschlucken, den er im Mund hat, und rollt sich dann einfach auf dem Tisch zusammen, seufzt und schläft ein. Sie nehmen den Affen mit, und Rod begleitet sie. Ich habe den Affen nie wiedergesehen. Rod kommt erst um drei Uhr morgens zurück, Heiligabend ist schon längst vorbei, und wir beschenken uns erst spät abends am Ersten Weihnachtstag. Aber da waren wir schon in der Hölle, und nichts würde je wieder so sein wie früher. Es gibt keinen Ausweg, und ich weiß es.«
    Endlich kippte sie den letzten Schluck Brandy runter und stellte das Glas so hart auf dem Tisch ab, daß es wie ein Schuß klang.
    Bis zu diesem Augenblick hatte sie nur Furcht und Melancholie gezeigt, die beide so tief saßen wie Knochenkrebs. Jetzt kam aus einer noch tieferen Quelle Zorn hoch.
    »Am Zweiten Weihnachtstag haben sie mir Blutproben abgenommen. Ich konnte nichts dagegen tun.«
    »Wer?«
    »Die Leute vom Projekt in Fort Wyvern.«
    »Vom Projekt?«
    »Und seitdem einmal monatlich – ihre Probe. Als gehörte mein Körper nicht mir, als müßte ich die Miete, um darin weiterleben zu dürfen, mit Blut bezahlen.«
    »Wyvern ist seit anderthalb Jahren geschlossen.«
    »Nicht ganz. Manches hört nie auf. Kann nicht sterben. Ganz gleich, wie gern wir es tot sehen würden.«
    Obwohl Angela dünn war, ja fast schon hager, war sie auf ihre Weise immer schön gewesen. Haut wie Porzellan, grazile Stirn, hohe Wangenknochen, feingeschnittene Nase, ein großzügiger Mund, der die ansonsten vertikalen Linien ihres Gesichts ausbalancierte und sehr oft ein Lächeln hervorbrachte  – diese Eigenschaften ließen sie gemeinsam mit ihrem selbstlosen Herz schön wirken, trotz des Umstands, daß ihre Schädelknochen zu nah unter der Haut lagen, ihr Skelett zu schlecht unter der Illusion von Unsterblichkeit verborgen war, die die Fleischhülle sonst vermittelt. Nun war ihr Gesicht jedoch hart und kalt und häßlich, an jeder Kante vom Zorn übermäßig scharf geschliffen. 
    »Sollte ich mich je weigern, ihnen die monatliche Probe zu überlassen, werden sie mich umbringen. Davon bin ich überzeugt. Oder mich in irgendeinem geheimen Krankenhaus einsperren, in dem sie mich unter Beobachtung halten können.« »Wozu dient die Probe? Wovor haben die Angst?« 
    Sie schien es mir sagen zu wollen, biß sich dann aber auf die Lippen. »Angela?« Ich lieferte ebenfalls einmal monatlich eine Probe ab, bei Dr. Cleveland, und Angela war oft diejenige, die sie entnahm. Meine wurde bei einem

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