Geschöpfe der Nacht
Versuch verwendet, mit dem man feststellen wollte, ob man anhand von minimalen Veränderungen der Blutchemie frühzeitig auf Hautkrebs und Augenkarzinome schließen konnte. Obwohl die Blutabnahme schmerzfrei war und nur zu meinem Besten sein sollte, verabscheute ich das Eindringen der Nadel in meinen Körper und konnte mir gut vorstellen, wie sehr ich es verabscheuen würde, wenn dies zwangsweise und nicht freiwillig erfolgte. »Vielleicht sollte ich es dir nicht sagen«, fuhr sie fort. »Obwohl du es wissen solltest… um dich zu verteidigen. Aber wenn ich dir alles erzähle… das ist, als würde ich eine Zündschnur anzünden. Früher oder später explodiert deine ganze Welt.« »Hat der Affe eine Krankheit übertragen?« »Ich wünschte, es wäre eine Krankheit gewesen. Wäre das nicht schön? Vielleicht wäre ich jetzt geheilt. Oder tot. Der Tod wäre besser als das, was uns jetzt bevorsteht.« Sie griff nach dem leeren Schnapsglas, ballte die Hand darum zur Faust, und einen Augenblick lang glaubte ich, sie würde es durch das Zimmer werfen. »Der Affe hat mich nicht gebissen«, sagte sie bestimmt, »nicht gekratzt, nicht einmal angefaßt, um Gottes willen. Aber man wollte mir nicht glauben. Ich bin nicht mal sicher, daß Rod mir geglaubt hat. Die gehen kein Risiko ein. Sie haben mich… Rod hat mich gezwungen, mich sterilisieren zu lassen.« Tränen standen ihr in den Augen, sie liefen nicht herab, aber schimmerten wie die Votivkerzen in den roten Glashaltern. »Ich war damals fünfundvierzig Jahre alt«, sagte sie, »und ich konnte kein Kind bekommen, weil ich schon unfruchtbar war. Wir haben uns wirklich bemüht, ein Baby zu kriegen – wir waren bei Spezialisten, Hormontherapie, einfach alles – und nichts hat funktioniert.« Vom Leid in Angelas Stimme bedrückt, konnte ich kaum auf dem Stuhl sitzen bleiben, aber schaute nur passiv zu ihr hoch. Ich verspürte den Drang, aufzustehen und sie zu umarmen. Diesmal wäre ich gern die Krankenschwester gewesen. Ihre Stimme zitterte vor Wut, als sie fortfuhr: »Und trotzdem haben die Arschlöcher mich zu der Operation gezwungen, zu einer irreversiblen Operation, haben mir nicht nur die Eileiter durchtrennt, sondern sogar die Eierstöcke ganz herausgenommen, mich aufgeschnitten, mir jede Hoffnung herausgeschnitten.« Ihre Stimme ließ sie fast im Stich, aber sie beherrschte sich. »Ich war fünfundvierzig, und ich hatte die Hoffnung sowieso schon aufgegeben, oder jedenfalls so getan. Aber daß man sie mir herausschneidet… Diese Erniedrigung, diese Unabänderlichkeit. Sie haben mir nicht mal den Grund genannt. Rod hat mich einen Tag nach Weihnachten zum Stützpunkt mitgenommen, angeblich zu einem Gespräch über den Affen, über dessen Verhalten. Er wollte nichts Genaues sagen. Tat geheimnisvoll. Er brachte mich zu diesem Ort… zu diesem Ort da draußen, von dem sogar die meisten Leute auf dem Stützpunkt nicht mal wissen, daß es ihn gibt. Sie haben mich gegen meinen Willen in Narkose versetzt und die Operation ohne meine Erlaubnis durchgeführt. Und als alles vorbei war, wollten die Arschlöcher mir noch nicht mal sagen, warum!« Ich schob den Stuhl vom Tisch zurück und stand auf. Meine Schultern schmerzten, und die Beine schienen aus Pudding zu bestehen. Ich hatte nicht erwartet, eine Geschichte von dieser Tragweite zu hören. Obwohl ich Angela gern getröstet hätte, machte ich keine Anstalten, mich ihr zu nähern. Das Likörglas hielt sie noch mit der harten Schale ihrer Faust umschlossen. Der knirschende Zorn hatte ihr sonst recht hübsches Gesicht in eine Ansammlung von Messern verwandelt. Ich nahm nicht an, daß sie in diesem Augenblick von mir berührt werden wollte. Statt dessen blieb ich ein paar Sekunden lang, die mir endlos vorkamen, unbeholfen am Tisch stehen, ratlos, was ich nun tun sollte, und ging dann schließlich zur Hintertür, um mich zu überzeugen, daß der Riegel tatsächlich vorgeschoben war. »Ich weiß, daß Rod mich geliebt hat«, sagte sie, aber der Zorn wich nicht aus ihrer Stimme. »Das zu tun, was er tun mußte, hat ihm das Herz gebrochen… ach was, hat ihn völlig gebrochen. Es hat ihm das Herz gebrochen, mit denen zusammenzuarbeiten, mich in den OP zu locken. Er war danach nie mehr derselbe.« Ich drehte mich um und sah, daß sie die Faust gehoben hatte. Die Klingen ihres Gesichts glänzten im Kerzenlicht. »Und wäre seinen Vorgesetzten klar gewesen, wie nah Rod und ich uns immer gestanden haben, hätten sie gewußt, daß er
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