Geschöpfe der Nacht
Fenstern.
»Sein Atem roch nach Mandarinen«, sagte Angela nach einer Weile. »Ich wußte, er könnte mich töten, wenn er wollte, mich irgendwie töten, auch wenn er nur ein Affe war und kaum ein Viertel so schwer wie ich. Als er noch auf dem Boden war, hätte ich dem kleinen Mistvieh vielleicht einen Tritt verpassen können, aber jetzt konnte es mir mitten ins Gesicht springen.«
Ich konnte mir problemlos vorstellen, was für eine Angst sie gehabt hatte. Eine Seemöwe, die ihr Nest auf einer Klippe verteidigt und unablässig mit wütendem Kreischen und hartem Rauschen der Schwingen aus dem Nachthimmel hinabstößt, einem nach dem Kopf hackt oder an den Haaren zerrt, wiegt nur einen Bruchteil soviel wie der Affe, den sie beschrieben hatte, konnte einen aber trotzdem in Angst und Schrecken versetzen.
»Ich überlegte, ob ich zur offenen Tür laufen sollte«, sagte sie, »befürchtete aber, daß ich den Affen damit nur noch wütender machen würde. Also blieb ich wie erstarrt stehen. Mit dem Rücken am Kühlschrank. Auge in Auge mit dem verhaßten Viech. Als er nach einer Weile sicher war, daß er mir gehörige Angst eingejagt hatte, sprang er von der Arbeitsfläche, jagte durch die Küche, stieß die Hintertür zu, kletterte schnell wieder auf den Tisch und griff nach dem Rest der Mandarine.«
Ich schenkte mir doch noch einen Schluck Brandy nach.
»Also streckte ich die Hand nach dieser Schublade hier neben dem Kühlschrank aus«, fuhr sie fort. »Da ist ein Korb mit Messern drin.«
Angela wandte den Blick nicht vom Küchentisch ab, so, wie sie es wohl an jenem Heiligabend getan hatte, schob den Ärmel der Strickjacke zurück und griff wieder blindlings nach der Schublade, um mir zu zeigen, in welcher die Messer lagen. Da sie keinen Schritt zur Seite zu machen wagte, mußte sie sich hinüberbeugen und sich strecken.
»Ich wollte den Affen nicht angreifen, mir nur irgend etwas besorgen, womit ich mich verteidigen konnte. Aber bevor ich die Hand auf den Griff legen konnte, sprang der Affe auf dem Tisch auf und schrie mich wieder an.«
Sie legte die Hand um den Griff.
»Er schnappt sich einen Apfel aus der Schale und wirft ihn nach mir«, sagte sie, »so richtig mit Pfeffer. Er trifft mich am Mund. Reißt mir die Lippe auf.« Sie hob die Arme vor das Gesicht, als würde sie gerade eben attackiert werden. »Ich versuche, mich zu schützen. Der Affe wirft noch einen Apfel, dann einen dritten, und kreischt so laut, daß Kristall zerspringen würde, hätte ich welches gehabt.«
»Wollen Sie damit sagen, er wußte, was in der Schublade war?«
Sie gab die Abwehrhaltung auf und nahm die Arme wieder herunter. »Ja«, sagte sie, »er hatte eine intuitive Vorstellung davon, was in der Schublade war.«
»Und Sie gaben den Versuch auf, sich ein Messer zu holen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Der Affe bewegte sich blitzschnell. Ich hatte den Eindruck, er könnte vom Tisch und zu mir hinüber springen, noch während ich die Schublade aufzog, und mich in die Hand beißen, bevor ich ein Messer ergreifen konnte. Ich wollte nicht gebissen werden.«
»Selbst wenn er keinen Schaum vor dem Mund hatte, hätte er Tollwut haben können«, sagte ich beipflichtend.
»Schlimmer«, sagte sie rätselhaft und rollte die Ärmel der Strickjacke wieder hoch.
»Schlimmer als Tollwut?«
»Ich stehe also neben dem Kühlschrank, meine Lippe blutet, ich habe fürchterliche Angst und überlege, was ich nun tun soll, und da kommt Rod von der Arbeit nach Hause, spaziert pfeifend durch die Hintertür da hinein und tritt mitten in diese unheimliche Szene. Aber er tut nicht das, was du vielleicht erwarten würdest. Er ist überrascht – und gleichzeitig wieder auch nicht. Er ist überrascht, den Affen hier zu sehen, ja, aber nicht überrascht von dem Affen selbst. Ihn hier zu sehen, das bringt ihn durcheinander. Verstehst du, was ich sagen will?«
»Ich glaube schon.«
»Rod – zum Teufel mit ihm – er kennt diesen Affen. Er sagt nicht: Ein Affe? Er sagte nicht: Verdammt, wo kommt denn ein Affe her? Er sagt: O Gott. Nur: O Gott. Es ist kühl an diesem Abend und bewölkt. Er trägt einen Trenchcoat, und er holt eine Pistole aus einer Manteltasche – als hätte er mit so etwas gerechnet. Also, ja, er kommt von der Arbeit nach Hause, und er trägt Uniform, aber er geht nie bewaffnet ins Büro. Wir haben doch Frieden. Um Gottes willen, er ist nicht in einem Kriegsgebiet stationiert. Sondern in einer militärischen Einrichtung direkt bei
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