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Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit

Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit

Titel: Gesellschaft in Angst - Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johano Strasser
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öffentlichen Sicherheitshysterie nicht anstecken zu lassen. Wir sollten uns die zahllosen unspektakulären Fälle immer wieder ins Gedächtnis rufen, in denen sich Vertrauen im Alltag bewährt, und uns klarmachen, dass die monströsen Verbrechen, von denen wir aus der Presse und dem Fernsehen erfahren, uns vor allem deshalb so verstören, weil sie äußerst seltene Ausnahmen sind.

4. Das Ungleichgewicht des Schreckens
    Das berühmt-berüchtigte Gleichgewicht des Schreckens zwischen dem westlichen und dem östlichen Gesellschaftssystem in der Zeit des Kalten Krieges war furchteinflößend genug, und es gehört zu den größten, bis heute nicht ausreichend erklärten Sensationen der Geschichte, dass diese hochgefährliche Konstellation unblutig überwunden werden konnte. Gerade noch rechtzeitig, könnte man sagen. Denn in der Tat führte die Logik der wechselseitigen Bedrohung in den Nachkriegsjahrzehnten dazu, dass die Welt immer radikaler von dem fehlerlosen Funktionieren einer gewaltigen militärischen Sicherungs- und Bedrohungsmaschine abhängig wurde. Eine prinzipiell unendliche Folge aufeinander antwortender Vor- und Nachrüstungen und der damit einhergehende Fortschritt der atomaren Waffentechnik bewirkten, dass die Reaktionszeiten auf der jeweils anderen Seite immer weiter schrumpften, sodass am Ende nicht einmal mehr Zeit für eine politische Entscheidung über den Einsatz von Atomwaffen blieb. Die sich anbietende Lösung hieß automatische Antwort, d. h. die Entscheidung über die Auslösung der Apokalypse musste aus technischen Gründen, weil ein verhängnisvolles Fehlverhalten der involvierten Menschen unter wachsendem Zeitdruck immer wahrscheinlicher wurde, der Zerstörungsmaschine selbst überlassen werden. Die Politik der Abschreckung, deren Ratio darin bestand, dass sie mit dem Selbsterhaltungsinteresse handelnder Menschen kalkulierte, wurde dadurch eben diesem Handlungszusammenhang entzogen und automatisiert.
     
    Die ironische Pointe dieser Entwicklung bestand darin, dass der gewaltige Abschreckungsapparat, der aufgebaut worden war, um die Bevölkerung vor der Unterjochung unter einer fremden Macht zu bewahren, selbst immer offensichtlicher zu
einer fremden Macht wurde, der die Menschen auf Gedeih und Verderb unterworfen waren. Aber schon bald zeigte sich, dass auch die bedingungslose Unterwerfung unter die Abschreckungsmaschine nicht jene Sicherheit erzeugte, die man sich davon versprochen hatte. Mehrmals kam es zu Fehlmeldungen der Warnsysteme, stiegen Atombomber auf, wurden mit Atombomben bestückte Raketen in ihren Silos startklar gemacht, stand die Menschheit am Rande der Selbstauslöschung. Dass in all diesen Fällen der Fehler noch rechtzeitig entdeckt und der vermeintliche Zweitschlag abgeblasen werden würde, war auch für eher heitere Gemüter nicht zu erwarten gewesen. Das lähmende Gefühl, in einer Endzeit (Günther Anders) zu leben, breitete sich aus. Schon die Kubakrise des Jahres 1961 hatte die Welt an den Rand des Abgrunds geführt. Dass die von vielen erwartete Apokalypse ausblieb, war allein der Tatsache zu verdanken, dass die sowjetische Führung, womit durchaus nicht zu rechnen war, im letzten Moment doch noch einlenkte, was Robert McNamara, den damaligen US-Verteidigungsminister, zu dem vielsagenden Kommentar veranlasste: »Wir haben Glück gehabt.«
     
    Heute gehören der Ost-West-Gegensatz und damit auch das alte Gleichgewicht des Schreckens der Geschichte an. Aber die von vielen nach 1989 erwartete Friedensdividende ist ausgeblieben. Insbesondere in den USA ist die Fixierung auf eine Sicherheitspolitik mit militärischen Mitteln ungebrochen. Da in einer Demokratie aber immer die Gefahr besteht, dass die öffentliche Meinung sich gegen Kriege und kriegerische Aktionen wenden könnte, wenn diese erhebliche eigene Opfer fordern, forcieren die USA seit einiger Zeit den Einsatz unbemannter Drohnen und anderer Kampfroboter. Mit Hilfe dieser per Mausklick ferngesteuerten Waffen sollen beispielsweise in Afghanistan und in Pakistan Terroristen zur Strecke gebracht werden, ohne dass eigene Soldaten gefährdet werden. Noch müssen allerdings Menschen an Bildschirmen die
übermittelten Aufklärungsdaten sichten, die Ziele bestimmen und den Beschuss auslösen. Weil es dabei regelmäßig zu Fehlern kommt, werden weit mehr unschuldige Zivilisten als Al-Qaida-Kämpfer getroffen. Auch das wächst sich leicht zu einem ernsten Legitimitätsproblem aus.
     
    In dieser Situation setzen die

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