Gesetz der Lust
unter dem Sitz nach dem Schlüssel. Durch das Fenster sah sie, wie Giorgio hochkam und sich schüttelte. Noch immer floss Blut aus seiner Nase.
Wo ist der Schlüssel? Wo zum Teufel ist der Schlüssel? Ihre Finger suchten unter dem Sitz, der Schlüssel war nicht mehr da.
Tory rutschte über den Sitz zur Beifahrerseite, öffnete die Tür, sprang aus dem Wagen und rannte. Links von ihr war offenes Gelände, dahinter ein Olivenhain. Wenn sie es bis zu den Bäumen schaffte, hatte sie Deckung.
Ohne einen Blick zurück lief sie, so schnell sie konnte, auf die Bäume zu. Schweiß rann ihr in die Augen, ihr Arm schmerzte. Es dauerte nur Sekunden, bis ein Körper von hinten sie zu Fall brachte. Ihr Mund füllte sich mit Staub, als sie zu Boden ging.
Giorgio lag über ihr, während Tory sich mit Händen und Füßen gegen ihn wehrte. Mit einer schnellen Bewegung drehte er sie zu sich herum, und noch einmal holte Tory mit ihrem gebrochenen Arm aus. Diesmal traf sie jedoch nur die Seite seines Kopfes. Er brüllte auf.
Tory sah, wie er den Arm hob, im nächsten Augenblick schlug er ihr die Faust gegen das Kinn.
6. KAPITEL
“V ictoria, öffne deine Augen. Wach auf. Jetzt!”
“Alex?” Victoria versuchte, die Augen zu öffnen, doch es gelang ihr nicht. “Alex, bist du … bist du in Ordnung?”
Tory zwang sich, die Augen zu öffnen. Sie sah sich um. Ihr Kinn schmerzte.
Sie fühlte, dass Alex belustigt war. “Liebling, es geht mir gut. Wir wollen uns lieber auf dich konzentrieren. Wo bist du verletzt? Kannst du dich bewegen?”
“Wo sind wir?”
“Im Kerker des Palazzo Visconti. Kannst du etwas sehen?”
Der Raum war etwa drei mal drei Meter groß, Boden, Wände und Decke bestanden aus dicken Felsbrocken. Das einzige Möbelstück war das Bett, auf dem sie lag – auf einer nackten Matratze, die feucht war und nach Schimmel roch.
Hoch oben in einer Wand befand sich ein kleines Fenster. Es war zu hoch, um es erreichen zu können, und zu klein, um durchzuklettern. Tory stöhnte leise auf.
“Tory.” Alex’ Stimme war ganz nah, dennoch musste sie die Augen schließen, um sich zu konzentrieren. “Wie schlimm verletzt bist du?”
Vorsichtig bewegte sie die Kiefer. Es schmerzte, genau wie ihr Arm. “Keine größeren Probleme.” Es hatte keinen Zweck, Alex unnötig zu beunruhigen.
Tory hörte, wie irgendwo in der Nähe eine Tür geöffnet wurde. Sie blickte zur Tür ihrer Zelle, die aus grobem, dunklem Holz gefertigt war und sicher schon hundert Jahre alt war. Sie war mit breiten Metallbändern verstärkt.
“Alex?” Sie bewegte sich unruhig auf der harten Matratze. Was war mit Alex geschehen?
Mehrere Male musste sie seinen Namen wiederholen, ehe sie ihn in ihrem Kopf wieder hörte. “Was ist passiert?”, fragte sie.
“Sie kommen in deine Richtung. Sie glauben, ich sei dein Freund, und sie wollen Marc haben. Hörst du mich, Tory? Sie wollen Phantom … du darfst ihnen nichts verraten.”
Tory hörte Geräusche auf dem Flur, dann drehte sich ein Schlüssel im Schloss der Tür.
Sie war wie gelähmt vor Angst, als drei Männer in die Zelle traten und die Tür hinter sich schlossen. “Guten Abend, Miss Jones.”
Sie hatte Christoph Ragno erst ein Mal gesehen, als man sie in Pescarna gefangen gehalten hatte. Doch die Erinnerung daran würde sie ihr Leben lang nicht vergessen. Sie schluckte. “Warum wurde ich hierhergebracht?”, fragte sie in einem Ton, der sie an ihre Großmutter erinnerte. “Ich möchte den amerikanischen Konsul sehen. Sie haben kein Recht, eine amerikanische Touristin zu kidnappen.”
“Sie haben hier keine Rechte, Miss Jones. Ich dachte, das hätte ich Ihnen schon bei Ihrem letzten Besuch in Marezzo ziemlich deutlich gemacht.”
Tory schob die Erinnerungen daran beiseite und biss sich auf die Unterlippe. Auf keinen Fall durfte sie jetzt den Kopf verlieren. Alex war in der Nähe, und Marc würde schon herausfinden, wo sie war. Sie musste auf jeden Fall ruhig sein, und sie durfte diesen Mann nicht dazu treiben, gewalttätig zu werden.
Ragnos Kopf war viel zu groß für seinen Körper. Er hatte fettiges blondes Haar, das an seinem rosigen Schädel klebte, und seine Ohren waren riesig. Sein Gesicht glänzte. Ein Schauer lief über Torys Rücken, als seine hellbraunen Augen sie von Kopf bis Fuß musterten.
“Sie hatten kein Recht, mich damals festzuhalten, und jetzt haben sich noch weniger Recht dazu. Sie wissen, dass ich …”
“Ich glaube, Sie kennen Giorgio und Mario schon?”
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