Gesetz des Todes
die Highlander mit Netzen tarnen, damit sie wie ein Fischerboot aussieht. Auf diese Weise sollten wir unbehelligt an die Küste und an Land gelangen.«
»Zudem haben wir einen entscheidenden Vorteil«, setzte Billy hinzu. »Dillon und ich, wir kennen uns in Drumore Place aus und wissen, was uns dort erwartet.«
Es folgte eine längere Pause, die Ferguson mit der Frage beendete: »Wollten Sie damit etwas Bestimmtes andeuten?«
»Eigentlich nur, dass Sie und Harry hier die Stellung halten werden«, erklärte Dillon. »Und keine Widerrede. Es muss ohnehin jemand an Bord bleiben, um alles vorzubereiten, falls wir überstürzt den Rückzug antreten müssen.«
»Er hat recht«, sagte Harry. »Ich meine, wir würden ihnen nur im Weg stehen.«
»Ich weiß, Harry, ich hasse es auch, alt zu werden.« Ferguson nickte. »Der Ball ist auf Ihrer Seite, Sean.«
Dillon schüttelte den Kopf. »Nicht zu fassen, jetzt nennt er mich wieder beim Vornamen.«
Sie legten pünktlich um sechs Uhr ab, Dillon am Steuerrad und Ferguson an seiner Seite. Es war noch dunkel und es wehte ein frischer Wind. »Wie sieht es mit dem Wetter aus?«, erkundigte sich Ferguson.
»Windstärke vier bis fünf draußen auf offener See.« Dillon fischte einhändig eine Zigarette aus der Packung und zündete sie mit seinem Zippo an. »Ich genieße es, mir mal wieder den Wind um die Nase wehen zu lassen.«
»Ich auch. Erinnern Sie sich, ich habe Ihnen doch einmal erzählt, dass ich den Atlantik auf einem Einhandsegler überquert habe, von Portsmouth nach Long Island, um mich von einer verlorenen Liebe zu kurieren.«
»Ich erinnere mich auch noch genau daran, warum Sie diese Liebe verloren haben. Die Frau brachte es nicht über sich, einen Mann zu heiraten, der in Derry fünf IRA-Männer erschossen hatte, die ihn ermorden wollten.«
»Eine alte Geschichte, mein Junge. Meinen Sie, ich könnte das Steuer mal für eine Weile übernehmen?«
»Bitte, nur zu.«
Dillon verließ das Ruderhaus. Ferguson überprüfte die Instrumente, manövrierte die Highlander aus dem Hafen und mit der Strömung hinaus Richtung Firth.
Bald rollte das Boot mit der Dünung, und die Lichter oben an der Mastspitze schwankten rhythmisch von einer Seite zur anderen. Durch den Nebel konnte Ferguson in der Ferne die roten und grünen Positionslichter eines Dampfers erkennen. Er hielt die Geschwindigkeit auf zwölf Knoten, ließ die Highlander durch die finstere See stampfen und fühlte sich dabei so wohl wie seit Jahren nicht mehr.
Am frühen Nachmittag hatte Levin sich in der Londoner Botschaft bei Luhzkov gemeldet.
»Und, was soll die ganze Aufregung?«
»Das weiß ich auch nicht. Volkov hat mir ein Dossier mit dem Stempel STRENG GEHEIM zukommen lassen, in dem steht, dass ich Sie hier festhalten soll.«
»Sie meinen körperlich?«
»Nein, selbstverständlich nicht. Ich soll dafür sorgen, dass Sie sich zur Verfügung halten.«
»Und Sie wissen nicht, warum?«
»Nein.«
»Na schön«, meinte Levin. »Sie haben meine Nummer. Ich wohne im Dorchester. Dort bin ich jederzeit zu erreichen.«
Später dann, als er bei Pasta, Salat und Champagner in der Piano Bar saß, kam Guiliano, der Manager des Hotels, zu ihm an den Tisch.
»Wir erwarten in nächster Zeit einige Aufregung in unserem Haus.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ein Landsmann von Ihnen.«
»Wovon sprechen Sie um alles in der Welt?«
»Von Präsident Putin. Er ist auf dem Weg nach Paris, um an irgendeiner EU-Konferenz teilzunehmen, aber es geht die Kunde, dass er auf dem Rückweg hier Station machen will.«
»Sie meinen in London?«
»Genauer gesagt, hier im Dorchester. Und da befände er sich in guter Gesellschaft. In unserem Haus war bisher beinahe jedes Staatsoberhaupt zu Gast.«
Guiliano begab sich an einen anderen Tisch. Levin zündete sich eine Zigarette an und dachte nach. Vielleicht war das der Grund, vielleicht wurde seine Anwesenheit deshalb gewünscht. Es war schon eine verrückte Welt, wo internationale Nachrichtendienste Geheimnisse hüteten, die gleichzeitig ganz offen in den Grand Hotels kursierten. Levin musste unwillkürlich lachen. Er winkte den Ober heran, damit er ihm noch ein Glas Champagner einschenkte, und prostete sich zu.
»Auf dich, Igor«, murmelte er. »Der einzige Normale in einer Welt von Verrückten.«
Kaum hatte er das ausgesprochen, überlegte er, dass es unter diesen Umständen gewiss klüger wäre, einstweilen aus dem Dorchester auszuziehen, bis er absehen konnte, wie sich die
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