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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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daran, wie ich wohl erriet, dass sie auf meinen Genuss neidisch war – ja, man kann sagen, dass die folgenden nächtlichen Stunden sie in schwer lösbare innere Konflikte stürzten: wie abwägen zwischen der von ihr empfundenen kannibalischen Lust, mich zu verschlingen und in sich einzusaugen, und meinem dadurch geförderten Zucken und Keuchen vor Wollust. Genussvoll entdeckte sie die Wonnen der Irrumatio, und ihr Mund labte sich daran, meine Substanz aufzusaugen, die den Durst ihres gastrischen Gartens schwallweise stillte, aber ihr Egoismus bestand fort, er war der zu zahlende Preis für die Manifestationen meiner eigenen Wollust – aber andererseits kam sie auch einfach in den Genuss, wie soll man es anders nennen als: an ihrer eigenen Brust zu saugen und ihre eigene Milch zu trinken, zumindest war dies der Eindruck, den sie mir vermittelte, als sie ihr Werk mit der gebotenen Fieberhaftigkeit vollendete, und dieser Eindruck sollte am folgenden Tag, dem 26. Mai beim Nachschlagen in einem Wörterbuch bestätigtwerden (irrumare, ursprünglich: »die Brust geben«), das ich aus meinem Regal mit den Nachschlagewerken fischte, jenem Regal, auf das ich den Aktenkoffer – ursprünglich mit der Million Euro und dann den siebhundertfünfzigtausend Euro – zunächst gelegt hatte, der sich nun aber nicht mehr auf diesem Regal befand, weil ich ihn, wie man sich vielleicht noch erinnert, in meinem Schlafzimmerschrank verstaut habe.
    Von Irènes Phantasmagorie ausgehend – ich kehre zurück zur mütterlichen Brust – lässt sich leicht ein Zusammenhang mit der von ihr empfundenen Lust knüpfen, als ich ihre hübschen, üppigen Brüste mit meiner Geschlechtsentsendung überflutete – ja, kehren wir zurück zu dieser Nacht vom 25. auf den 26. und zu dem, was sich in meinem Schlafzimmer, in meinem Einzelbett abspielte, wo Irène mit atemberaubender Geschwindigkeit an Selbstsicherheit und Kühnheit gewann und sich auf die Suche nach der besten Stellung machte (jener, die ihr am meisten Lust bereitete), bis sie am Ende beschloss, sich auf Ellbogen und Knie zu stützen (wie ich bereits angesprochen habe) und mir dergestalt ihren geschlitzten und in der denkbar symmetrischsten Weise aufgeteilten, aufgespreizten Körper darzubieten, wobei das eigene Nichtsehen für sie eine unerträgliche Frustration bedeutete, weshalb sie mich in jener Nacht, da der Blickwahn sie erfasst hatte – weniger in den folgenden Nächten, aber in der Nacht vom 25. schon –, weshalb sie mich fragte, ob ich nicht zufällig einen Spiegel von ungefähr der und der Größe hätte, und in dieser Stellung im prallen Licht, während der Spiegel von ihr mit ebenso großer Virtuosität gehandhabt wurde, als wäre es ihr Beruf, in solchen Situationen Spiegel zu handhaben – wobei ihr vor lauter Sehen obendrein der Gedanke kam, meine Zeugungsflüsse an einen fernen und verborgenen Ort umzuleiten, den sie für die genaue Mitte ihres Wesen hielt, ich spreche von dem Eingang, dem die zarte Festigkeit des Muskels und die Glätte des Satin eignet und der von Martial als »pueril« bezeichnet wurde (
illud puerile
, Martial, IX, 68) –, erreichten wir, sie und ich, ungeahnte Gipfel des Genusses, diewir uns auch dann nicht hätten vorstellen können, wenn man sie uns vorher beschrieben hätte (selbst wenn der Beschreiber ein Meister gewesen wäre und die menschlichen Empfindungen es gestatteten, vom Netz einer Beschreibung eingefangen zu werden) – warum nun solche Gipfel: Irène Maggie Perking, weil sie innerhalb von sechs Tagen die egoistische Erfüllung eines Wartens erlebte, das alle Zeit der Welt gehabt hatte, zu unendlichen Dimensionen heranzuwachsen, und Luis Archer, weil er die in der Geschichte der Zeit einmalige Erfahrung machte, von einem Wesen, in dessen Innerstem er sich doch gerade erging, unendlich weit entfernt zu sein, was allen Raum (unendlichen Raum) für den körperlichen Genuss ließ – und da beide ihren Weg bis ans äußerste Ende verfolgten, fand sich schließlich jeder am anderen Ende der Unendlichkeit wieder.
    Wie am Vortag schlief Irène schlagartig ein, aber in dieser Nacht ohne Hunger zu schreien, auf dem Bauch liegend, mit ausgebreiteten Armen und Beinen, die gesamte Fläche meines Betts einnehmend. Ihre langen Hände bewegten sich ein wenig, geringfügig, als würde sie von winzigen Krämpfen durchzuckt, wie ein träumendes Katzenjunges oder ein Spatz, der in einen unschuldigen Schlaf gesunken ist – oder wer weiß welchen giftigen

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