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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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was ihr bei einigen Arbeitgebern teuer zu stehen gekommen war. Michel zu Diensten zu sein war hingegen stets das Paradies gewesen.) Aber Marcus’ Laster hatte sich mit der Zeit abgeschwächt – insbesondere nach Michels Tod und nach der so beängstigenden Episode von Claras Verschwinden konnte sie jederzeit zu Besuch kommen, zu Weihnachten, ja, wie verabredet, aber auch morgen und auch für immer, wenn sie wollte!
    Clara saß nachdenklich da, nachdem sie aufgelegt hatte, weniger verwundert über ihre Lüge als darüber, weder Scham noch Reue empfunden zu haben.
    Nachdem sie all ihren Mut zusammengenommen hatte, rief sie Mireille Bel an, die vor Glück, ihre Stimme zu hören, ganz außer sich war, und erzählte ihr von ihrem plötzlichen Anfall von Misanthropie bei ihrer Amme im Süden.
    Erneut die Erwähnung von Michels Selbstmord, erneut Tränen …
    »Ich müsste meine Rückkehr der Polizei melden«, sagte Clara schließlich. »Unangenehme Aufgabe!«
    »Ich glaube, ich kann sie dir erleichtern«, sagte Mireille. »Stell dir vor, ich habe die Privatnummer des Kommissars, der sich um dein Verschwinden gekümmert hat. Ruf ihn an, dann ist alles geregelt. Er ist sympathisch, du wirst sehen. Sag ihm, dass du die Nummer von mir hast. Er heißt Tony Tugsa.«
    »Tony Tugsa? Er hat auch bei Alma Perez im Süden angerufen! Ja, sie hat ihn mir auch als angenehm, sanft und einfühlsam beschrieben.«
    »Stimmt. Ah, da fällt mir ein …«
    Und Mireille erzählte Clara von ihrem Gespräch mit einem gewissen Luis Archer (»einem Musiker«), der eine Verabredung mit ihr erwähnt und sich Sorgen gemacht hatte, weil er sie telefonisch nicht erreichen konnte.
    »Luis Archer? Ich spiele regelmäßig seine Bearbeitungen Alter Musik, seine Arbeiten sind faszinierend. Aber ich habe nie eine Verabredung mit ihm gehabt! Warum hat er versucht, mich zu erreichen, warum hat er sich Sorgen um mich gemacht?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht mehr.«
    »Sei doch so nett und ruf ihn zurück. Beruhige ihn und nutz die Gelegenheit, ihn zu fragen, was er denn wollte. Es ist zu merkwürdig. Könntest du vielleicht auch Vincent anrufen? Ich fühle mich so erschöpft …«
    »Aber sicher! Und all unsere gemeinsamen Bekannten, die auf deine Nachricht warten, wenn du willst!«
    »Gern. Das ist lieb von dir, Mireille, danke. Ich bin noch sehr müde. Und ich habe keine Lust, länger über diese Geschichte zu reden …«
    »Das verstehe ich. Mach dir nichts draus, du kannst dich auf mich verlassen. Und wir beide, wir sehen uns, wann es dir passt. Sag einfach Bescheid.«
    Ja, sie würden sich bald wiedersehen, sehr bald, und sie würden wieder gemeinsam musizieren.
    Clara bejahte dies nachdrücklich, aber im tiefsten Inneren wusste sie nicht, ob sie wen auch immer sehen wollte.
    Eine halbe Stunde nachdem sie aufgelegt hatten (es war fünfzehn Uhr fünfundvierzig), rief Mireille Bel Luis Archer an. Keine Antwort. Sie hinterließ eine Nachricht: Ein wunderbarer Tag, sagte sie mit ihrer voll klingenden, melodischen Stimme, Clara weilt wieder unter uns, alles steht zum Besten, sie war bei ihrer Amme im Süden, rufen Sie mich an, wann immer Sie wollen.
    Clara hingegen rief Tugsa an.
    Clara Nomen und Tony Tugsa trafen sich eine Stunde später an einer Polizei-Garage in der Avenue Grande-Armée, wo Clara ihren Austin wieder abholen konnte. Der junge Kommissar war ein freundlicher und eher gutaussehender Mann. Claras Schönheit ließ ihn nicht gleichgültig – aber er befragte sie ausführlich über Mireille Bel, die er nur vom Telefon her kannte, als habe er vor, sich mit ihr treffen, so schien es Clara.
    Dann fuhr sie durch die Stadt und weiter bis nach Saint-Germain mit dem guten Gefühl, sich mit jeder Stunde, die verging, wieder auf der Erde einzuleben, trotz Michels entsetzlicher Tat und trotz Axels Bild, das sie nicht mehr verließ.
    Wie durch ein Wunder wurde ein Parkplatz im vorderen Abschnitt der Rue de Rennes frei. Sie parkte und ging (vergnügt,zu Fuß zu gehen, sie hatte schon lange keine Gelegenheit mehr dazu gehabt) zur Rue du Dragon. Samstag, Clara hatte das granatrote Kleid aus Opera gewaschen und es wieder angezogen, um auszugehen. Am Tag zuvor hatte sie das Pflaster abgemacht, das sie auf ihre Wunde am Knie geklebt hatte. Das granatrote Kleid war ziemlich kurz, man konnte die zarte rosafarbene Narbe auf ihrer Haut sehen.
    Die Buchhandlung du Dragon befand sich in der Nummer 21a.
    Clara wusste, dass sie an der Galerie Jacoudot in der

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