Gesetzlos - Roman
aber sicher nicht!«
»Sind Sie ganz sicher? Ein gutaussehender Mann wie Sie …«
Ich dachte bei mir, dass Gusta sich nicht häufig in der Lage befunden haben dürfte, von eifersüchtigen Ehemännern bedroht zu werden. War er überhaupt verheiratet? Jedenfalls trug er keinen Ring. Ich nahm an, dass er einen getragen hätte, wenn er verheiratet gewesen wäre.
»Absolut sicher«, sagte ich.
Er blickte mich an, oder genauer, er blickte ins Leere – der Fortsetzung harrend, der Fortsetzung? In meinem Zustand ärgerte ich mich darüber. Ich war nicht in der Verfassung, verdächtigt, angeschuldigt, gezwungen zu werden, mich für irgendetwas zu rechtfertigen.
Er legte die Waffe auf den Schreibtisch. (Bevor ich von zu Hause aufgebrochen war, war mir der Gedanke gekommen, sie aufzubewahren und mich nicht mehr von ihr zu trennen.) Es war ein Revolver, ein Feuhm S4, eine Waffe, die in der Unterwelt gern benutzt wurde, wie Gusta mir mitteilte. Er war mit einem Schalldämpfer ausgestattet, das neueste Modell, sehr wirkungsvoll, »gewissermaßen der letzte Schrei«, sagte er und lächelte über sein unbeabsichtigtes Wortspiel.
Ich hatte nur eine vage Beschreibung meines Angreifers liefern können, weil ich ihn nur flüchtig wahrgenommen hatte und er mir in keinerlei Hinsicht bemerkenswert erschienen war: mittlere Statur, dunkelhaarig, keine Erinnerung an das Gesicht, dunkles Hemd, Turnschuhe oder Espadrilles an den Füßen, schlank, schlanker als der Durchschnitt.
»Ich werde Monsieur Maynial unter irgendeinem Vorwand aufsuchen«, sagte Gusta. »Ich halte Sie über mein Vorgehen auf dem Laufenden. Schließlich haben wir im Moment nicht mehr als eine Waffe mit ihren Fingerabdrücken …«
Gusta ging mir allmählich auf die Nerven. Gusta und vermutlich auch das Schlafmittel, eine Art verspätete Nebenwirkung des Produkts, eine nervliche Reaktion, nachdem die Nerven für einige Stunden künstlich ruhiggestellt worden waren. Warum dieser letzte Satz? Sollte er mich in Verlegenheit bringen? Oder war er bloß so dahingesagt, gedankenverloren, eine einfache Bilanz der Lage, die er nur für sich gezogen hatte? Ja, das war es wohl. Wie auch immer. Ich bekam den Satz in den falschen Hals, er provozierte mich.
»Es wird Ihnen in der Tat nicht leicht fallen, mein Opfer wiederzufinden.«
»Ihr Opfer?«
»Ja, den Mann, den ich am Kinn getroffen, in den Unterleib geschlagen und mit meinem Feuhm S4 bedroht habe. Natürlich hatte er getrunken und sich auf die Karosserie meines Autos gestützt. Aber war das Grund genug, in einem unkontrollierten Wutausbruch auf ihn zu schießen, auf diese Weise mein eigenes Auto zu beschädigen und anschließend wie ein Wilder auf ihn einzuprügeln … zum Glück konnte er fliehen. Wer weiß, ob ich ihn sonst nicht niedergestreckt hätte?«
Erstaunt und amüsiert zugleich sah Gusta mich an und wusste offenbar nicht recht, wie er meine Tirade auffassen sollte – die ich übrigens in liebenswürdiger und scherzhafter Manier abgespult hatte. Er lächelte (diese unglaublich vielen Falten auf seinem Gesicht!):
»Bravo, Sie sind mit Phantasie begabt, der Phantasie eines Fahnders … im Übrigen gratuliere ich Ihnen zu Ihrem Mut heute Nacht.«
Über meinen Mut sagte ich ihm, was ich bereits dem Leser gesagt hatte.
»Wie dem auch sei, umso besser, Sie haben haargenau das getan, was getan werden musste, um sich schadlos aus der Affäre zu ziehen. Ein Profi mit jahrelanger Erfahrung hätte nicht besser handeln können. Sie hatten Glück im Unglück, mein Lieber. Hoffentlich ist Ihre Pechsträhne damit beendet.«
Er hatte »mein Lieber« in einem wirklich liebenswürdigen Ton gesagt. Sein »hoffentlich ist Ihre Pechsträhne damit beendet« konnte mich allerdings nicht überzeugen.
Bedeutete jenes kurze Auf blitzen in seinen Augen nicht: »Hoffentlich, aber machen wir uns da mal keine Illusionen, eine Pechsträhne hört nicht einfach so auf. Also, hübsch vorsichtig beim nächsten Schicksalsschlag …«?
Nein, mir war klar, das war übertrieben. Ich interpretierte zu viel in seine Worte hinein.
Der Schock der letzten Nacht beeinträchtigte offenbar mein Urteilsvermögen.
»Ja, hoffentlich«, sagte ich.
»Ich denke, ich sollte mich jetzt dringend mit Monsieur Maynial treffen. Dann sehen wir weiter. Leider muss als Erstes der administrative Teil geregelt werden, Klageeinreichung, Gegenlesen der Aussage, Formulare, Unterschriften. Tut mir leid, aber diese Verwaltungsabläufe sind notwendig, um ein
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