Gesetzlos - Roman
Jane Bryan; es ist der letzte Film, den Mathilde Étrelat und ich am Mittwoch, den 3. Oktober, in der Kinemathek von Bercy in der 20-Uhr-Vorstellung ansahen.
Der Titel hatte sich quasi von selbst aufgedrängt, um diesem 10. Kapitel einen Namen zu geben.
Aber kehren wir erstmal zum 12. September zurück, dem übernächsten Tag nach dem Augenblick, da mir der größte Schreck meines Lebens eingejagt wurde, und dem Tag nach meinem Besuch bei der Kriminalpolizei von Versailles, wo ich einen anderen Gusta entdeckte, eine komplexe, aber nicht durchtriebene Persönlichkeit (obwohl ich zwei-, dreimal Grund zu der Annahme gehabt hätte – nun ja, sicher bin ich mir da nicht). Am Abend des 12. (ein Freitag) rief mich also, nachdem er zu Hubert Maynial gegangen war, der freundliche, Cello spielende Kommissar mit den Haaren eines Jünglings an. Er hatte einen vom Kummer gezeichneten Mann angetroffen, der tief verzweifelt und halb von Sinnen war – da Maynial jedoch, wie Gusta sagte, in keine der ihm gestellten Fallen getappt war, entweder weil er die Taten, derer wir ihn verdächtigten, sich nicht hatte zuschulden kommen lassen oder weil er trotz des rammdösigen Eindrucks, den er machte, raffiniert, auf der Hut und wachsam war – oder auch weil er wegen seines seit Wochen und Wochen mit Betäubungsmitteln durchströmten Hirns nicht mehr wusste,dass er sich zu der absurden Tat hatte hinreißen lassen, die Dienste eines Profikillers in Anspruch zu nehmen.
Ich ahnte, dass Gusta zu der dritten Annahme neigte.
»Was die Suche nach dem fraglichen Killer angeht … sind wir keinen Schritt weiter. Die Waffe und Ihre Beschreibung sind vollkommen unzureichende Elemente. Aber was Sie angeht, bin ich immer mehr der Ansicht, dass die Angelegenheit für Sie beendet ist. Wobei weiter Vorsicht geboten ist. Ich sage es noch einmal, zögern Sie nicht, mich beim geringsten Zweifel anzurufen. Darauf bestehe ich.«
Seit unserer letzten Begegnung war er mir offensichtlich gewogen.
Der September ging vorüber. Abgesehen von den Helfershelfern, die sich mir an die Fersen geheftet hatten (nur wenige Wochen nachdem man mich eines Doppelmordes und obendrein eines gewalttätigen Übergriffs auf ein Kind bezichtigt hatte, oder zumindest andeutungsweise), war es ein ruhiger, ja sogar düsterer, langweiliger Monat.
Ich hatte Mühe, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren.
Manchmal hatte ich Angstattacken, mitten auf der Straße überkam mich Panik. Manchmal war ich derart darauf bedacht, mich in einen abgeschlossenen, schützenden Raum zu begeben, dass ich bereits meine Autoschlüssel in der Hand hielt, wenn ich die Wohnung verließ, und meine Wohnungsschlüssel, wenn ich das Auto verließ.
Mir war, als würde ich Fortschritte machen bei der Interpretation der
Englischen Suiten
von Bach (den Präludien), auch entdeckte ich andere hinreißende Stücke von Alberto Ginastera, die ich meinen Schülerinnen am darauffolgenden Mittwochnachmittag vorspielte (ich hatte noch immer diese Stunde am Mittwoch von fünf bis sechs am Hals, weil sowohl Quiret als auch Mornais sich lieber vierteilen ließen, als einem Vorschlag von mir zu folgen, ganz gleich wie sinnvoll er war).
Während des ganzen Monats September setzte ich keinen Fuß in das Café de la Rue, die Erinnerung an Cathy war noch zu frisch.
Dann kam der Oktober, der zu kalt war für einen Oktober. Das Wetter kühlte sich schlagartig in der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober ab. Am 3. ging ich nachmittags zu dem kleinen Virgin-Store, um Bleistiftminen (Stärke 2B, die weichsten, also schwärzesten, und zwar um Noten auf Notenpapier zu übertragen) und eine DVD zu kaufen, die soeben »remastered« auf dem Markt gekommen war,
Seven Men from Now
, ein Western von Budd Boetticher von 1956. Die Verkäuferin war völlig kopflos, sie musste neu sein oder eine Vertretung, von nichts hatte sie je etwas gehört, weder vom Namen des Regisseurs, noch von Randolph Scott, dem Hauptdarsteller. Wo mochte nur der Film sein, den sie mit Sicherheit vorrätig hatten? Sie klapperte auf ihrer Computertastatur herum und stieß meines Erachtens dabei auf einen Western von Bruce Humberstone, der ein Jahr zuvor, 1955, herausgekommen war,
Ten Men Wanted
, denn sie fragte, ängstlich den Blick hebend:
»Zehn?«
»Sieben!«, erwiderte ich feilschend, in einem Ton der keine Widerrede duldete.
Lächeln, und schließlich fand sie ihn, hinter ihr lag ein ganzer Stapel, sie saß beinahe darauf.
Gewiss amüsant (ihre
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