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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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finanzieller und auch in manch anderer Hinsicht genoss er klare Privilegien) und nur deshalb Telefonanrufe von höchster Stelle erhielt (und sei es auch nur aus reiner Höflichkeit), weil man eines schönen Tages auf seine Begabung und seine Erfahrung würde zurückgreifen wollen. Vielleicht war dieser Tag nun gekommen? Damals, als Axel und seine Angehörigen angefangen hatten, das Aussterben ihrer Art zu befürchten, hatte er über ein Vierteljahrhundert dem Befehl von Rafi, dem besten Einsatzleiter überhaupt, unterstanden. Niemand sonst hatte sich bei der Suche nach Lebensformen, die ihnen helfen sollten, die erbarmungslose, einen nach dem anderen fortraffende Todesseuche einzudämmen, als so kühn erwiesen wie er. Er hatte zahllose Regionen des Kosmos durchkämmt, die in der Vergangenheit wohltemperiert und stabil genug gewesen waren, um die zunächst flüchtige Verschmelzung lebensspendender Elemente zu erlauben, aus denen sich im Verlauf von Millionen Jahrenschließlich Millionen unterschiedlicher lebensfähiger Arten entwickelt hatten.
    Doch bei keiner der Proben war je ein positives Ergebnis erzielt worden. Schon eine unzureichende Ähnlichkeit genügte, um das abschließende Experiment zum Scheitern zu verurteilen – ein Experiment, das Axel weder im Kern noch im Ablauf kannte, nur die höchsten staatlichen Instanzen waren darüber im Bilde. Axel wusste lediglich, dass es der Probe das Leben kostete. (Die Nutzlosigkeit der Opfer bekümmerte ihn. Er war der einzige, der darüber betrübt war, er und Renata.)
    Wollte man ihn mit einer ähnlichen Mission beauftragen wie zuvor? Das war unwahrscheinlich. Unter den neuen Einsatzleitern waren Romain und Ethan, die eine hervorragende Figur abgaben, vor allem Ethan, wie es hieß. Wenn dem aber trotzdem so war, würde er dann den Mut haben, sich zu weigern? Und den schmerzlichen Folgen, die nach einer solchen Weigerung zu erwarten waren, die Stirn bieten? Er wollte nicht mehr mitmachen. Er hatte sich an sein häusliches Dasein und an das sich täglich wiederholende Glück gewöhnt, seine Memoiren aufzuschreiben und dabei Musik zu hören (Platten von früher, die schwer zu bekommen waren, denn die einzig erlaubte, einzig verfügbare offizielle Musik war ihm zuwider). Bei seinen Einsätzen hatte er sich stets Notizen gemacht, er besaß mittlerweile ein Dutzend Hefte, die mit seiner Schrift gefüllt waren. Ja, er würde sich ganz gewiss weigern. Nur glaubte er nicht an ein solches Angebot. Aber was war es dann?
    Nun, er würde es bald erfahren.
    Er hatte es eilig, nach Hause zurückzukehren. Er erstickte, er steckte in einer sorgfältig angelegten, engen Quadrierung von Nebenstraßen unweit der Hauptstraße fest. Er hielt an einer roten Ampel, zehn Meter entfernt von einem Kino, das er früher, als er noch jung gewesen war, regelmäßig besucht hatte.
    Er beobachtete die Leute, die auf dem Bürgersteig anstanden, es waren nur wenige, mit trübsinnigen Mienen. Die öffentlichenPlätze wurden immer seltener aufgesucht. Ob Kinosäle, Stadien, Kirchen: Die Leute kamen nicht mehr zusammen, sie hatten keine Lust mehr dazu.
    Axel wartete, bis es grün wurde, und wendete tausend Gedanken in seinem Kopf hin und her, als plötzlich die letzte Person in der Schlange, ein junger Mann, einfach verschwand, sich auflöste, in Luft aufging. Er sah aus, als wäre er durch die große, schlecht frisierte Frau in dem abgetragenen Kleid ersetzt worden, die vor ihm stand. Der Mann war nicht mehr da. Ein zum Tode Verurteilter … Axel wohnte diesem Verschwinden, das ihn in der Vergangenheit gleichgültig gelassen hatte, nur noch ungern bei. Wann hatte das Opfer die kleine weiße Kapsel geschluckt? Vor zwei Stunden? Zwei Tagen, zwei Monaten, länger? Die Frist konnte bis zu sechs Monate dauern. Es kam sogar vor, dass die Implosion nie stattfand (so wie früher – nein, eigentlich nicht –, wenn ein Gewehr von zwölfen bei der Exekution nicht geladen war), wobei im Geiste des Verurteilten das Warten irgendwann mit dem Gedanken an den eigenen Tod verschmolz. Schon seit Jahrzehnten musste die Bevölkerung viele derart durchgeführte Todesurteile erdulden: Einnahme der Kapsel, Warten, Hoffen – und dann die meist quasi geräuschlose Implosion sowie schmerzlose Auslöschung des Subjekts.
    Nur im Falle von Hochverrat führte die Einnahme der Kapsel zum sofortigen Tod.
    Axel fand es feige, dass er nie gegen diese empörenden Praktiken auf seinem Planeten auf begehrt hatte. Gewiss, es wäre nutzlos

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