Gesetzlos - Roman
Mann, heute mehr denn je – und besonders in diesem Moment ihrer Unterhaltung (seine Augen quollen vor, die Fingerspitzen seiner linken Hand trommelten irgendeinen militärischen Marsch, erst auf dem Holz seines Schreibtischs, dann auf seinem Schädel) –, und Axel wusste, dass nun der Moment gekommen war, da er es endlich erfahren würde.
Das »andererseits« von Rafi war in der Schwebe verharrt.
»Ja?«, sagte Axel.
Der Kommandant war in der Tat sehr kindisch.
»Andererseits …« (Erst jetzt ließ er seiner Begeisterung freien Lauf:) »Axel, mein alter Begleiter auf unseren ersten großen Reisen, wir haben Unseresgleichen entdeckt, die Ähnlichkeit ist vollkommen!«
Axel war verdutzt und erschüttert zugleich.
»Was für eine Neuigkeit!«, sagte er.
»Es kommt noch besser: Seit zwei Wochen studiere ich Ethans letzten Bericht, und so kann ich nun gefahrlos verkündigen, dass ich die ideale Person ausfindig gemacht habe. Sie entspricht all unseren Kriterien!«
»Unglaublich! Sogar dem zwölften?«
»Gerade dem zwölften! Die Schnappschüsse der Proben wurden aus nächster Nähe aufgenommen, damit die Röntgenbilder gut lesbar sind, die des Gehirns inbegriffen. Aber komm und sieh es dir selbst an!«
Sie gingen in den Nebenraum, der ins Halbdunkel getaucht war. An einer der Wände befand sich ein Bildschirm. Rafi wies Axel einen Sessel.
»Mach dich auf einen Schock gefasst …«
Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht einer sehr jungen Frau.
Was für eine Ähnlichkeit mit ihrer Rasse!
Und was für eine Schönheit diese junge Frau doch war! Axel war geblendet. Sie war schön, mehr als schön, anders als schön, sagte er sich, als trüge ihr Gesicht den Abglanz jener inneren Eigenschaft, die es erlauben würde, sie alle zu retten und ihnen die Lebensfreude wiederzugeben, deren Verlust sie seit ach so vielen Jahren bedrohte.
Um den Preis des Lebens dieser jungen Frau, gewiss …
Weitere Fotografien zogen vorbei, dann kehrte Rafi zum Gesicht der Auserwählten zurück.
Axel war noch immer benommen. Ja, die Ähnlichkeit war vollkommen! Sie war die erträumte Probe!
Er beglückwünschte Rafi.
»Danke«, sagte Rafi. »Verstehst du jetzt, warum ich dich angerufen habe?«
Seine Haarfülle und der Bart ließen im halbdunklen Raum eine merkwürdige schwarze Gestalt entstehen.
Axel war zunächst nicht klar, dass er ihm eine echte Frage gestellt hatte.
»Natürlich verstehe ich! Es ist der größte Tag in unserem Leben!«
»Nein, du verstehst nicht, du kannst nicht verstehen«, sagte Rafi lächelnd. (Dann wurde sein Gesicht wieder ernst:) »Ich habe die Absicht, dich mit einem letzten Auftrag zu betrauen, wenn du einverstanden bist. Und zwar dieses kleine Wunder holen zu gehen und zu uns zu bringen, zu unserer Rettung.«
»Aber … ist sie denn noch nicht im Militärkrankenhaus?«, fragte Axel.
»Nein. Ethan war nur mit der Nachforschung und Erkundung betraut. Er sollte allein zurückkehren.«
Axels Erstaunen nahm weiter zu.
»Warum?«
»Nun, das letzte vor seiner Abreise durchgeführte Experiment an zwei Proben, die Romain geliefert hatte, hat einen neuen, entscheidenden Faktor zutage gefördert. Ich wollte ganz sicher sein, bevor ich mit dir darüber spreche und um deine Hilfe bitte, seit heute Nachmittag steht fest, dass es keinen Zweifel an der Krankenhausakte gibt. Es wäre untertrieben zu sagen, dass wir diesen neuen Faktor bislang unterschätzt haben, wir haben ihn ganz einfach übersehen. Nun wissen wir aber, dass sich die Probe, von der Ähnlichkeit und den anderen elf Kriterien abgesehen, in einem Zustand vollkommenen Vertrauens und absoluter innerer Ruhe befinden muss, weil das Experiment sonst nicht gelingen kann. Und es muss diesen Zustand ganz allein, auf natürliche Weise erreichen. Damit will ich sagen, dass das erwünschte Ergebnis nicht durch Verabreichung von Medikamenten erzielt werden darf. Eine Entdeckung, die der alte Marco vorgestern gemacht hat – ja, Marco, der zwar alt und erschöpft ist, aber noch immer das Labor leitet. Worauf Romain uns diese Bilder hier gezeigt hat …«
Da begriff Axel, warum Rafi ihn herbeordert hatte, und der bestätigte es ihm. Man war auf seine Hypnosekunst angewiesen (die von seinen Artgenossen lange unbeachtet geblieben war, um nicht zu sagen verachtet wurde – und plötzlich wartete der ganze Planet auf ein Wunder!), man war auf diese Kunst angewiesen, um die endlich entdeckte Ideal-Probe von der ersten bis zur letzten Sekunde betreuen zu
Weitere Kostenlose Bücher