Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
er Nerven, sie hier, so
nah an der Straße in Positur zu legen, wo er riskiert, dass er dabei gesehen
wird. Ich meine, was würdest du tun, wenn du eine Leiche schnellstmöglich
loswerden wolltest, wo würdest du sie ablegen?“
„Ich würde sie vermutlich an einen abgelegenen Ort
zum Beispiel im Wald ablegen.“
„Klar, weil du keine Botschaft vermitteln willst.
Unser Bursche hier ist anders. Er erledigt alles hier im Straßengraben. Überleg
mal was ihn das aufgeheizt haben muss. Erst schlägt er ihr mit einem Gegenstand
den Schädel ein, obwohl wir noch nicht wissen, wo das passiert ist. Vielleicht
hat er sie in seinem Auto traktiert, dann hält er an der Straße an, die Frau
versucht vielleicht noch zu fliehen. Es gibt ein Gerangel, und am Ende würgt er
sie mit dem Kettenhalsband. Dann nutzt er die Dunkelheit, legt sie in Positur
und ich gehe mit dir jede Wette ein, dass das Labor auch Sperma auf ihrem
Körper gefunden hat. Stell dir vor, wie er sich gefühlt haben muss. Er stellt
sein Kunstwerk so phantasievoll zur Schau, dass er gleich noch mal kommt und
sein Sperma über sie ergießt. Potentes Bürschchen, wenn du mich fragst.“
Markus kratzte sich gedankenverloren am Kopf.
„Auf einen Wahnsinnigen sollten wir also nicht
schließen, dafür ist sein Mord einfach zu phantasievoll. Aber eine abnorme Psyche
hat er doch, oder nicht? Ein normaler Mensch würde so etwas nicht tun.“
„Normal, was heißt denn schon normal? Kann ein
Mörder überhaupt normal sein?“, fragte Stefan.
„Was machen wir jetzt wegen der Frau? Hat es schon
Reaktionen auf den Zeitungsaufruf gegeben?“, fragte Markus.
„Nein, keine wirklich brauchbaren Reaktionen. Wenn
man den gepflegten Gesamtzustand der Toten betrachtet, dann liegt ihr Abstieg
zur Prostituierten noch nicht weit zurück. Sofern es sich überhaupt um eine
Nutte handelt. Die Vermisstendatei hat leider keinen Treffer ergeben. Aber
irgendjemand muss sie doch vermissen.“
„Ich gehe derweil mal ins Labor und frage mal an
wegen der Bodenproben. Sobald es etwas Neues gibt, sag ich Bescheid.“
„Okidoki, bis später dann“, rief Stefan im Hinausgehen.
Als Stefan wieder in seinem Büro saß grübelte weiter
über die Fotos nach. Es half nichts, er kam einfach nicht weiter. Er ging mit
der Akte, die sowohl die Angaben zu der Toten, als auch die Fotos enthielt zum
Profiler der Kripo, Kevin Schlaudrauff, der seinem Nachnamen alle Ehre machte.
Wenn es ums Erstellen von Mörderprofilen ging, dann war er eine absolute
Koryphäe auf seinem Gebiet. Er hatte sein Büro im dritten Stock und Stefan, der
schon den ganzen Tag unruhig wie ein Tiger im Käfig herumgelaufen war, rannte
die Treppe hoch, wobei er immer gleich zwei Stufen auf einmal nahm. Ein wenig
außer Atem kam er in der dritten Etage an und musste sich eingestehen, dass er
auch schon einmal fitter war. Sobald es Frühjahr würde, wollte er wieder mit
dem Laufen beginnen. Das war ein guter Vorsatz, war er doch auf die immerhin
nahe Zukunft gerichtet. Er brauchte sich deshalb nicht direkt in den nächsten
Tagen schlecht zu fühlen, wenn er keinen Dauerlauf machte.
Vor Kevins Tür angekommen hörte er Stimmen aus dem
Büro. Er klopfte leise und da niemand antwortete, öffnete er vorsichtig die
Tür. Sein Chef stand mitten im Raum, Kevin saß an seinem Platz. Kevin machte
einen angespannten Eindruck. Er hatte seinen Kopf nach vorne und schräg nach
oben gerichtet. Er sah aus, wie ein Stier, der gleich auf den Torero losrennen
wollte.
„Entschuldigung“, stammelte Stefan. „Ich wollte
nicht stören, ich komme dann später noch einmal vorbei.“
„Herr Wirtz, es ist eine Mordkommission gebildet
worden und in gut einer Stunde haben wir eine Besprechung. Wären Sie so nett
und würden Ihren Kollegen Markus Groß auch darüber unterrichten, ich habe ihn
eben nicht erreicht“, sagte der Chef. Herr Schneider, Erster
Kriminalhauptkommissar, machte wie immer keine langen Sätze und kam auch gleich
auf das Wesentliche zu sprechen. Wenn man sich an seine kurzen Sätze gewöhnt
hatte und dies nicht als abweisend erkannt hatte, gab es eigentlich ein gutes
Auskommen mit ihm.
„Alles klar, ich sag Bescheid. Entschuldigung
nochmals für die Störung.“
Stefan
ging wieder in die erste Etage zu seinem Büro zurück. So ein Mist, dachte er.
Die Besprechung würde wieder nur aufhalten und dabei musste er so dringend mit
Kevin reden.
Er ging in sein Büro, nahm den Telefonhörer hoch und
rief Markus an, um ihm wegen der
Weitere Kostenlose Bücher