Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
Weihnachtsfeiertag
verbrachten Angela und ich zusammen. Seit dem sehr merkwürdigen Telefongespräch
Mitte Dezember hatten wir uns immer nur mal kurz zwischen Tür und Angel
gesehen. Angela war sehr verändert. Ihr Gesicht war in Ernsthaftigkeit
erstarrt, und sie trug oft eine Sonnenbrille, obwohl das Wetter trübe war. Sie
wich mir auch regelmäßig aus, so dass ich praktisch keine Gelegenheit hatte,
sie zu fragen, was denn mit ihr los sei. Bis ich dann zwei Tage vor Weihnachten
einfach bei ihr klingelte und sie gefragt habe, ob wir den zweiten Weihnachtsfeiertag
zusammen verbringen sollten. Sie hatte ihre Wohnungstür nur einen Spalt weit
aufgemacht. Ihr Verhalten war so merkwürdig, dass ich befürchtete, sie würde
mir mit einer brummeligen Ausrede die Tür vor der Nase zuschlagen. Als ich aber
fragte, ob ich mal kurz rein kommen dürfte, da machte sie mir
überraschenderweise die Tür ganz auf mit den Worten „Wundere dich aber nicht.
Es ist nicht aufgeräumt.“
Ich ging in ihre Wohnung, die
mir durch unsere Freundschaft sehr vertraut war und erschrak. Die Rollläden
waren bis auf einen kleinen Spalt herunter gelassen. Es war also dunkel in
ihrer Wohnung. Überall lagen Sachen herum. Kleidung und Schuhe waren wild
verstreut. Auf dem Esstisch und auf der Spüle in der Küche standen gebrauchte
Teller und Pappschachteln, in denen Pizza oder ein inzwischen undefinierbares
asiatisches Essen befunden hatte. Es roch nach schimmelnden Nahrungsresten und
verbrauchter Luft.
Was war denn hier los, dachte
ich. Ich bin kein Mensch, der ständig mit dem Putzeimer und dem Staubsauger
unterwegs ist, so wie einige Leute, die jeden Tag ihr Badezimmer putzen. Und
von daher finde ich es absolut normal, wenn eine Wohnung nicht wie ein
Hotelzimmer oder eine Musterwohnung wirkt, sondern bewohnt. Dazu gehören auch
Dinge, die man irgendwo hinlegt oder Kleidung, die man vorübergehend irgendwo
ablegt, aber so wie es hier aussah, sprach das ganz andere Bände.
„Ist alles okay bei dir?“,
fragte ich Angela. Wobei mir erst jetzt auffiel, dass sie einen Bademantel trug
und ihre Haare fettig am Kopf klebten. Ich war gelinde gesagt zu Tode
erschrocken. Die Luft war zum Schneiden. Es musste dringend mal gelüftet
werden.
Spontan entschloss ich mich,
ihr ehrlich zu sagen wie ich empfand und lud sie zu einem kleinen Spaziergang
ein. Vielleicht konnte Amelie auch ein wenig dazu beitragen, dass Angela bei
dem Spaziergang auf andere Gedanken kam. Zu meiner Überraschung willigte sie
ein und versprach 10 Minuten später bei mir zu klingeln. Als wir losgingen war
es fünf Uhr nachmittags und schon dunkel. Egal, dachte ich. Es wird sowieso nur
ein kleiner Spaziergang und wir können durch den Ort spazieren. Aber als wir
wieder an unserem Haus ankamen war es bereits halb sieben. Was sie mir während
dieser anderthalb Stunden erzählt hatte, schockierte mich zutiefst.
Der vermeintliche Volltreffer
von der Autobahnraststätte, genannt Mr. X, war nichts anderes als ein
Verbrecher. Nach dem Kennen lernen auf der Raststätte hatten sie sich noch
einmal getroffen. Sie waren Essen gegangen und hatten sich gut verstanden,
wobei Angela aber gleich das Gefühl hatte, dass diesen ominösen Mr. X etwas
Geheimnisvolles vielleicht auch Unheimliches umgab. Trotzdem fühlte sie sich
von ihm angezogen. Beim nächsten Mal wurde die Sache gleich zu Anfang schon
sehr merkwürdig. Sie hatten sich auf dem Parkplatz vom Krankenhaus Marienthal
verabredet. Sie hatte ihr Auto abgestellt und hatte auf Mr. X gewartet, der
sich bis dato noch immer nicht mit richtigem Namen zu erkennen gegeben hatte.
Irgendwann kam er zu Fuß auf ihr Auto zu. Sie stieg aus, sie begrüßten sich und
er meinte, er habe eine Überraschung für sie, er müsse ihr dafür aber die Augen
verbinden. Anfangs hatte sie noch gelacht und es für einen originellen Spaß
gehalten. Aber schon bald beschlich sie ein mulmiges Gefühl aber sie hatte sich
auf dieses Treffen gefreut und wischte dieses ungute Gefühl beiseite. Er hatte
sie dann aufgefordert, sich auf den Beifahrersitz ihres Autos zu setzen. Er
stieg auf der Fahrerseite ein und fuhr irgendwohin. Zuerst hatte sie noch
versucht, der Straße im Geiste zu folgen, hatte aber bald gemerkt, dass sie die
Orientierung verloren hatte. Nach einer Fahrt, deren Dauer sie nicht wirklich
einschätzen konnte, es hätte eine Viertelstunde sein können aber genauso gut
drei Viertelstunden, hatte er angehalten und sie waren gemeinsam in ein Haus
gegangen.
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