Gesichter der Nacht
Jenny O'Connor«, sagte sie. »Mr. O'Connors Nichte.«
Mac lehnte sich aus dem Fahrerhaus und sagte: »Hallo, Miß Jenny.«
Sie blickte betroffen zu ihm auf. »Ich habe
gehört, was passiert ist. Das tut mir schrecklich leid, Mac. Was
machen Sie jetzt?«
Mac lächelte. »Die Stellung wechseln,
Miß Jenny. Ich arbeite in Zukunft für Mr. Magellan.«
Ihre Miene verdüsterte sich, und sie
wandte sich Marlowe zu und sagte flehentlich: »Dadurch wird alles
nur noch schlimmer. Bitte, Mr. Marlowe – Sie müssen gehen.
Bitte. Ich kenne meinen Onkel, glauben Sie mir. Er erträgt es
nicht, wenn jemand versucht, seine Pläne zu durchkreuzen. Er wird
vor nichts zurückschrecken. Er wird alle Mittel gegen Mr. Magellan
einsetzen. Und wer sich in die Sache verwickeln läßt, hat
mit Sicherheit darunter zu leiden.«
Marlowe schüttelte den Kopf. »Niemand kann
sich über längere Zeit ungestraft so aufspielen, als
wäre er der liebe Gott, Miß O'Connor.«
»Aber er wird Sie ruinieren«, erwiderte
das Mädchen verzweifelt. »Das hat er mit anderen auch schon
gemacht – ich habe es selbst erlebt.«
»Ich bin nicht so leicht zu ruinieren«,
sagte Marlowe. Einen Augenblick schien es, als wollte Jenny O'Connor
noch etwas sagen. Dann sanken ihre Schultern herab, und sie drehte sich
um. »Trotzdem vielen Dank für die Warnung«, sagte
Marlowe.
Er beobachtete, wie sie zum Lagerhaus zurückging
und in dem Gebäude verschwand. Er stieg in den Lastwagen, setzte
sich neben Mac und sagte: »So, jetzt wissen wir Bescheid. Machen
wir uns auf den Weg.«
Als sie losfuhren, wandte Marlowe sich um
und warf einen Blick auf das Lagerhaus zurück. Kennedy, Monaghan
und O'Connor traten gerade auf die Rampe und sahen ihnen nach. Marlowe
behielt sie ein paar Sekunden im Auge, und dann bog Mac in die
Hauptstraße, und sie rollten aus der Stadt hinaus, in Richtung
Litton.
5
Marlowe saß am Fußende von Papa Magellans Bett. Es war
kurz nach neun, und der alte Mann beendete ein herzhaftes
Frühstück, das ihm Maria gebracht hatte. Ein kalter Guß
prasselte gegen das Fenster, und Magellan fluchte und sagte:
»Wenn es weiterregnet, hört auch dieses verdammte Rheuma
nicht auf. Es ist ein Teufelskreis, und an den Winter darf ich gar
nicht denken.«
Marlowe lächelte mitfühlend. »Nehmen
Sie's nicht tragisch, Papa«, sagte er. »Ein paar Tage
Bettruhe tun Ihnen sicher gut.«
Magellan schnaubte verächtlich.
»Müßiggang. Maria glaubt, daß ich genau das
brauche, aber es ist Arbeit zu erledigen, die nur ich machen kann.
Heute nachmittag muß ich zu den Gärtnereien – Ware
abholen und mich erkundigen, wie's aussieht. Weiß der Teufel, was
O'Connor ausheckt, während ich hier faul im Bett liege.«
Die Tür öffnete sich, und Maria trat mit
einem Tablett ein, auf dem eine Kaffeekanne und mehrere Tassen standen.
Sie schenkte zwei Tassen voll. Die eine gab sie ihrem Vater, die andere
Marlowe. »Wie kommt Mac zurecht?« fragte Marlowe.
»Oh, gut«, sagte Maria. »Er hat mir
geholfen, ein zweites Bett in Ihr Zimmer zu stellen, und jetzt packt er
gerade seine Sachen aus.«
»Was halten Sie von ihm?« fragte Marlowe.
Papa Magellan schaltete sich ein. »Er ist ein
netter Junge«, sagte er. »Sowas sehe ich auf den ersten
Blick. Er hat ein gutes Herz.«
Maria nickte. »Da bin ich ganz
Papas Meinung. Er ist ein feiner Kerl. Ich habe Vertrauen zu ihm. Ich
hatte es schon in dem Moment, in dem ich ihn gesehen habe. Er
gehört sicher nicht zu den Menschen, die einen im Stich
lassen.«
In Marlowe regte sich ein Gefühl, das
verdächtig an Eifersucht erinnerte. Er betrachtete Maria mit
schiefem Grinsen und sagte: »Mit anderen Worten, er ist genau das
Gegenteil von mir.«
Sie blickte ihn etwas gequält an. »So habe
ich es nicht gemeint. Das müssen Sie mir bitte glauben.«
Marlowe winkte ab. »Ist ja egal. Völlig
egal.« Als er sich Papa Magellan zuwandte, sah er zu seiner
Überraschung, daß der alte Mann verschmitzt lächelte.
»Ich klappere jetzt den Einzelhandel ab, Papa«, sagte
Marlowe. »Mac soll inzwischen die Kohlen ausfahren. Wenn ich
wieder da bin, helfe ich ihm.«
»Vielleicht sollte ich aufstehen und die Tour
mit dem Jungen machen«, sagte Papa Magellan. »Könnte
sein, daß er's am Anfang ein bißchen schwierig
findet.«
»Nein, das läßt du bleiben«,
widersprach Maria. »Du hältst jetzt Bettruhe und tust zur
Abwechslung mal das, was man dir sagt.«
»Aber Maria,
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