Gesichter der Nacht
die
Oberhand und hielt Monaghan nieder. Er schmetterte die Faust zweimal
gegen das Kinn des Iren. Monaghans Kopf fiel zur Seite, und er blieb
reglos liegen.
Marlowe rappelte sich hoch und lehnte einen Moment
lang gegen die Mauer. Dann drehte er sich um und ging auf die Wohnung
zu. Jenny stand in der Tür und blickte ihm entgegen, einen
seltsamen Ausdruck in den Augen. »Mein Gott, kann dich denn
niemand unterkriegen?« fragte sie.
Er überhörte ihre Bemerkung und schob sie in
die Wohnung. »Du hast doch nicht etwa die Polizei
angerufen?« Sie schüttelte den Kopf, und er nickte.
»Gut. Gib mir bitte einen doppelten Brandy. Und ruf deinen Onkel
an, wenn ich gegangen bin, und sag ihm, was passiert ist. Er wird hier
in eigener Person vorbeikommen und seine Jungs aufsammeln
müssen.«
Jenny goß rasch einen Brandy ein und
drückte Marlowe das Glas in die Hand. »Ist alles in Ordnung
mit ihnen?« fragte sie mit unsicherer Stimme.
Er zog die Schultern hoch. »Unkraut vergeht
nicht. Falls du meinst, ob ich einen von ihnen getötet habe
– nein, das habe ich nicht. Trotzdem wird dein Onkel einen Arzt
bemühen müssen. Und die Sorte Arzt, die solche Fälle
behandelt, ist nicht billig.«
»Nächstes Mal bringt dich Blacky Monaghan um«, sagte sie im Brustton der Überzeugung.
Marlowe zuckte die Achseln und zog seine Krawatte zurecht.
»Es haben schon viele Leute versucht, mich
umzubringen«, sagte er. »Und ich lebe immer noch.«
»Dein Gesicht ist ein einziges
Chaos«, sagte Jenny. »Komm mit ins Badezimmer, und ich
richte dich notdürftig wieder her.«
Er grinste, obwohl es ihn ein bißchen Mühe
kostete. »Nein danke. Vielleicht hat O'Connor da auch jemand
postiert, der auf mich wartet.« Er beugte sich vor und strich ihr
flüchtig über die Wange. »Es war sehr nett, mein Engel,
aber für heute abend ist Schluß. Ich gehe jetzt besser. Gib
mir fünf Minuten und ruf dann deinen Onkel an.«
Als er über den Hof lief, begann Paddy zu
stöhnen und der dritte Mann schluchzte wie ein kleines Kind.
Marlowe ging schnell durch die dunkle Straße. Er hatte
Glück. Als er auf den Platz trat, sah er gerade ein Taxi, und er
winkte es herbei.
Er lehnte sich in den weich gepolsterten Sitz
zurück und schloß die Augen. Er war müde, sehr
müde, und sein Körper fühlte sich an wie eine
große Beule. Bei jedem Atemzug taten ihm die Rippen weh –
da, wo Monaghan ihn getreten hatte –, und er fragte sich, ob
etwas gebrochen war. Er ließ sich noch einmal durch den Kopf
gehen, was passiert war, und erkannte, daß er eigentlich den
ganzen Abend damit gerechnet hatte. Monaghan hatte ihn ja gewarnt. Er
und seine Freunde mußten die Aktion sorgfältig geplant
haben.
Marlowe verzog das Gesicht zu einem müden
Lächeln. Wenigstens hatte er die drei den Abend über in Atem
gehalten, während Mac mit der Wagenladung Obst und Gemüse in
Richtung Süden fuhr. Es hatte geklappt mit seinem Plan, und er
wußte jetzt in der Tat sehr viel mehr von Jenny O'Connor. Alles
in allem war es ein gewinnbringender Abend gewesen – trotz der
Tritte, Schrammen und Beulen.
In Litton stieg er am Tor aus dem Taxi und bezahlte
den Fahrer. Einen Augenblick stand er im Dunkel und hörte zu, wie
das Motorengeräusch in der Ferne verebbte. Dann drehte er sich um
und ging über den Hof auf die Haustür zu.
In der Küche brannte noch Licht
– man sah es durch den Türspalt –, und er tastete sich
darauf zu und drückte die Klinke nieder. Maria saß in einem
alten Schaukelstuhl vor dem Feuer und weinte. Sie hob das
tränenüberströmte Gesicht und hielt entsetzt den Atem
an. »Oh, Hugh, was haben die mit Ihnen gemacht?«
Im Nu war sie bei ihm und in seinen Armen. Er
drückte sie an sich, während ihr Körper von Schluchzen
geschüttelt wurde, und strich ihr sanft übers Haar.
»Was ist, mein Engel?« fragte er. »Kein Grund zur
Sorge. Sind nur ein paar blaue Flecke.«
Maria hob das vom Weinen verquollene Gesicht und sagte
mit gebrochener Stimme: »Mac hat aus einem Dorf in der Nähe
von Peterborough angerufen. Er ist in ein Café gegangen, um eine
Tasse Tee zu trinken, und als er wieder nach draußen kam, hatte
jemand den Lastwagen gestohlen. Verstehen Sie – verstehst du
nicht, was das bedeutet, Hugh? Wir sind erledigt. Wir können
nichts mehr machen.«
Sie begann erneut zu schluchzen, und
Marlowe hielt sie in den Armen und starrte erbittert ins Leere. Er kam
zu dem Schluß, daß er O'Connor, wenn er
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