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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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Engländer“, amüsierte sich der fast zahnlose Pensionär und freute sich diebisch über die Einfalt seines seltsamen Nachbarn.
    Dennoch waren sich nun, in der Stunde der Not, alle darüber einig, ihn wie einen der ihren zu schützen. Er gehörte schließlich irgendwie zur Insel. Amtliche Macht hatte hier nichts zu suchen. Da waren die Caper eigen.
    Als das mickrige Boot der Staatsgewalt (wer auch hätte gedacht, dass es sich auf die hier draußen fast offene See wagte?) schließlich anlandete, der Kommissar auf die Pier kletterte und ein paar dort herumlungernde Männer ansprach, erhielt er die prompte Antwort:
    „Ja, ja, ein Mann mit Namen Paddle oder so ähnlich war mal hier. Das ist schon richtig. Ja, ja, ein seltsamer Bursche. Wir sind nie schlau aus ihm geworden. Aber der hat es auf Cape nicht lange ausgehalten, zwei, drei Wochen vielleicht, und eines Tages ist er sang- und klanglos verschwunden. Wir wissen nicht wohin, nein, wirklich nicht. Vielleicht nach Dublin oder sonst wohin. Wir jedenfalls haben nichts mehr von ihm gehört!“
    Natürlich gab sich der Beamte damit noch nicht zufrieden und stapfte hangaufwärts zu den ersten Häusern. Aber auch da erhielt er unisono dieselbe Antwort.
    „Paddle, Paddle? Ach der. Ja, der war hier, aber der ist schon seit mindestens zehn Jahren wieder weg! War ihm wohl zu einsam und zu langweilig hier.“
    Nach mehreren solchen vergeblichen Anläufen warf der Kriminaler das Handtuch. Dann musste es wohl so gewesen sein, wie die Leute sagten. Der Tipp mit der Insel war also ein Flopp und die Fahndung musste woanders neu ansetzen.
    Auch für den Sergeant gab es auf der östlichen Seite des Eilands stets die stereotype Antwort: „Ja, einen solchen Mann haben wir gekannt, der war wohl hier. Aber es ist fast eine Ewigkeit her, dass er wieder verduftet ist. Wir mochten ihn auch gar nicht so recht leiden. Wohin? Ja, das wissen wir nicht.“
    Resigniert trafen sich der Kommissar und der Sergeant mit schmerzenden Füssen von der ungewohnten Wanderung am Boot. Nach einem Erfrischungstrunk bei „Cotter’s“ – die Gaststätte hat ausnahmsweise wegen des ungeheuren Vorfalls schon ab Mittag auf – ging das Boot laut knatternd wieder in die nun durch Aufkommen einer frischen Brise mehr und mehr unruhige See. Es war auch höchste Zeit, wollte der Kommissar unbeschadet den kleinen Hafen von Baltimore erreichen. Einen besonders seetüchtigen Eindruck machte das Gefährt ohnehin nicht. Ein paar Caper schlossen prompt Wetten ab, ob er es überhaupt schaffte.
    In Baltimore wollte der Ermittler noch in den beiden Hafenkneipen Erkundungen einziehen. Nach einer mehr als ruppigen Überfahrt, während der der Kahn fast volllief, und dem glücklichen Landfall des kleinen Streifenbootes begann er also gleich bei „Lister’s“. Doch einen Paddle, von dem der Polizist ohnedies nur ein Jugendbildnis vorzeigen konnte, nein, den hatte hier keiner jemals bemerkt. Das Foto zeigte einen smarten, flotten, jungen Kerl in tadellosem Anzug, wahrscheinlich einen Geschäftsmann. Jemand müsste schon eine blühende Fantasie haben, darin den heruntergekommenen, vertrottelten, alten Mann von der Insel wiederzuerkennen.
    „Wissen Sie, Herr Kommissar, es ist immer ein Kommen und Gehen hier am Hafen. Er ist ja schließlich auch für die anderen Inseln an der Südküste zuständig“, so wurde ihm mehrfach bedeutet. Nichts zu machen, auch in Baltimore kam er kein Jota weiter.
    Dann reichte es dem Fahnder. Er bestieg mit seinem Adlatus sichtlich enttäuscht den vor dem Pub geparkten und inzwischen mit Staub überpuderten Dienstwagen und brauste in Richtung Cork davon. Mochten doch die Kollegen aus Skibereen ihr Patrouillenboot alleine abholen und an den Anleger ihrer Stadt zurückführen.
    Aus den Scheiben der Pubs grinsten ihm ein paar neugierige Gesichter hämisch nach. Und auf den Kofferraumdeckel des Behördenwagens hatten böse Buben zu allem Überfluss mit dem Finger „Pig“ in den Schmutz geschrieben. Anscheinend war die ganze Küste mit ihren Capern solidarisch. Die Grafschaft Cork zeigte ihr allbekanntes Gesicht als „Rebel County“.
    Bei „Cotter’s“ auf diesem ganz und gar aufmüpfigen Fels-Eiland hieß es derweil längst „Hoch die Tassen“. Der listige Sieg über die Staatsmacht musste gebührend gefeiert werden.
    Als Patrick O’Driscoll schließlich mit der Fähre in der Heimat ankam, wurde er wie ein Held empfangen. Seine Frühwarnung hatte die Ehre der unbeugsamen Eiländer

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