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Gesichter: Roman (German Edition)

Gesichter: Roman (German Edition)

Titel: Gesichter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schäfer
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Locken passten nicht, obwohl Gabor nicht hätte sagen können, ob sie zu groß oder zu klein geraten waren.
    »Lassen Sie sich Zeit«, wiederholte der Beamte, aber je länger Gabor schaute, desto nervöser wurde er. Er brauchte keine Zeit, er musste sich beeilen, um mit drei, vier schnellen Entscheidungen wie ein Karikaturist den besonderen Zug, das entscheidende Merkmal einzufangen. Er begann zu schwitzen. Er wies auf ein eng stehendes Augenpaar, doch noch während der Beamte es mit einer Bewegung seiner Maus ins leere Gesicht hineinzog und danach die Brauen darüber platzierte, wusste Gabor, dass er sich geirrt hatte. Das Gesicht, das so entstand, wies entfernte Ähnlichkeit mit dem Mann von der Fähre auf, zeigte aber vor allem Gabors eigene Angst. Wut. Man sah vor allem Wut, die sich in Höhe der Nasenwurzel zusammenzog und ballte und dem Betrachter wie eine Faust entgegenkam.
    Berit saß im Wagen. Er ging zum Auto und setzte sich auf den Beifahrersitz.
    »Berit. Ich …«
    Ihr Schweigen verschluckte seine Worte wie eine Decke. Hinter der niedrigen Buchsbaumhecke des Villengrundstücks glänzte der gestutzte Rasen wie frisch gesprengt.
    »Was passiert jetzt?«, fragte sie müde. »Zapfen sie unsere Telefone an? Bewachen sie unser Haus?«
    »Es kommt jemand, um Neles Zimmer zu untersuchen.«
    »Eine Abtreibung dauert nicht lang. Man liegt eine Weile im Ruheraum und darf dann wieder gehen. Wie dumm ich war, wie naiv. Ich schäme mich.«
    Sie wollte nichts davon wissen. Sie weigerte sich, seine Worte zur Kenntnis zu nehmen.
    »Berit.«
    »Sei still«, zischte sie, die Hand schon am Zündschlüssel, doch plötzlich sagte sie: »Warum hast du mir nichts gesagt? Warum hast du mir das alles nicht erzählt?«
    »Ich habe es versucht.«
    »Wann? Wann hast du es versucht?«
    »Auf der Fähre. Als die Kinder schon geschlafen haben. Und als die erste Karte kam, an dem Abend, als Yann bei uns war.«
    Sie starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
    »Und als dieser Mann gegen die Tür getreten hat? Und als er die Mülltonne ausgeleert hat? Warum hast du mir davon nichts gesagt?« Gabor wusste nicht, was er antworten sollte. Sie starrte ihn an, und als er noch immer schwieg, ließ sie den Motor an und fuhr los.
    Die verschlungene Straße führte sie an Bungalows mit pockennarbigen Fassaden und neumodischen Flachdachwürfeln vorbei bis an das Ufer eines Tümpels. Berit wirkte mit jeder Kurve, mit jeder verschatteten Gasse, die sie ihrem Zuhause näher brachte, zerbrechlicher, als könnte sie jeden Moment zerspringen, doch nachdem sie den Wagen abgestellt hatte, stieg sie aus, ging, den Schlüssel in der Hand wie immer, durch den Vorgarten und betrat das Haus. Er hörte ihre Stimme durch die offene Tür bis nach draußen: »Nele! Schatz! Nele.«
    Im kühlen Wind war eine Ahnung von Meer, eine homöopathisch geringe Spur Ostseefrische, die er einsog, als wollte er sich betäuben. Er fand Berit oben. Sie lehnte kraftlos in der Tür zu Neles Zimmer, ihr Mobiltelefon in der Hand. Ihre Hilflosigkeit zerriss ihm das Herz. Ihr Mund öffnete sich. Er ging auf sie zu, und sie begann nach ihm zu schlagen. Sie schlug nach ihm und traf sein Ohr. Sie riss an seinem Haar und trommelte gegen seine Brust. Endlich erlaubte sie, dass er sie in den Arm nahm.
    »Was passiert mit uns?«, wimmerte sie.

12
    Die Polizei verwandelte das Haus in einen Tatort. Eine Frau um die dreißig und ein altersloser Mann mit Bürstenschnitt kamen, und Gabor musste dem Mann die Geschichte noch einmal erzählen, während Berit mit der Frau in Neles Zimmer ging. Der Mann stellte während Gabors Ausführungen keine Fragen, schritt aber das Wohnzimmer ab, schaute durchs vordere Fenster auf die Straße und nach hinten raus in den Garten, als prüfte er Sichtachsen oder Durchblicke. Er ließ sich den Keller und die oberen Räume zeigen, und während sie die Treppe hochstiegen, sah Gabor Berit und die Polizistin auf Neles Bett sitzen und in bedrückendem Schweigen Hefte durchblättern. Als der Mann sich in ihrem Schlafzimmer umsah, hatte Gabor plötzlich den Faden verloren, wusste nicht mehr, was sie hier suchten.
    »Die Karten«, sagte der Polizist.
    »In der Schublade. In der Nachttischschublade meiner Frau.«
    »Ich mach das«, sagte der Polizist, als Gabor sich nicht regte. Er ging um das Bett zu Berits Seite und kniete sich vorsichtig auf den Boden, und erst als Gabor das sah: einen Zivilbeamten, der in einer ungewollt demütigen Haltung am Bett seiner Frau

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