Gespenst aus der Zukunft
das Jenseits.
Nachdem das Würfelspiel auf der Zeltplane eine Zeitlang in Gang war, machten Flaschen die Runde. Das führte zu ein paar Auseinandersetzungen bei den Würfelspielern, aber die meisten froren zu stark, um es ernsthaft auf einen Streit ankommen zu lassen. Es war sofort alles vergessen, als einer der jüngeren Reporter mit zwei Hühnern aus dem Schnee auftauchte. Man rupfte und zerlegte sie sofort, wenn auch mit ungeübten Fingern.
Die Fernsehleute hatten bis dahin das Feuer gemieden, weil der Rauch ihre Aufnahmen vermurkste. Einige von ihnen waren sogar auf die andere Seite des Berges gegangen, um das Boot auf dem Gipfel gegen den hellen Hintergrund aufzunehmen. Aber als sich der Bratengeruch der Hühner verbreitete, kamen sie einer nach dem anderen herbei, obwohl auch ihnen klar sein mußte, daß man zwei Hühner nicht an so viele verteilen konnte.
»Warum setzt du sie nicht ein?« fragte einer der älteren Reporter.
»Wir haben doch keinen Glückshafen! Die Fernsehfritzen sollen sich ihre eigenen Hühner organisieren, so wie ich es tun mußte.«
»Also, Kleiner, wenigstens ein paar Schenkel oder Flügel könntest du opfern.«
»Das wäre eine Idee«, meinte einer der Würfelspieler und streckte den schmerzenden Rücken.
»Haut ab«, erklärte der provisorische Koch. »Ich gebe nichts her. Das Geld ist ohnehin nichts wert. Nächstes Jahr können wir uns Zigaretten damit drehen.«
»Hör auf mit deinen Unkereien und laß den Flügel nicht anbrennen«, sagte der junge Reporter. »Außerdem ist es nächstes Jahr vielleicht ganz anders. Ich habe so ein Gefühl. 1999 ist ein ganz ordinäres Jahr wie alle anderen, aber 2000 muß doch etwas Besonderes sein.«
Über ihnen erklang ein Pfeifen und Dröhnen, und das schneebedeckte Farmgelände wurde grellweiß und schattenlos. Es dauerte lange, bis die Leuchtbombe am Fallschirm heruntergetrudelt war und ausbrannte – lange genug, daß die Fernsehleute zu ihren Kameras rennen und ein paar ordentliche Bilder von der Arche übertragen konnten.
Das Licht war hell genug, um die kabbalistischen Symbole zu zeigen, die in allen Farben an ihren Rumpf gemalt waren. Es zeigte sogar die Rauchwolke, die aus dem Kamin des Deckaufbaus kam. Menschen waren nicht zu sehen, aber eine Kamera erwischte einen Köter, der mit blinzelnden Augen und flach an den Kopf gelegten Ohren aus einem der vier Bullaugen sah.
»Es wird etwas Besonderes – wie das da«, sagte der ältere Reporter und deutete auf den schwächer werdenden Glanz. »Nur wirst du das nächste Mal, wenn du so ein Licht siehst, kaum noch quatschen können. Dann bist du nämlich Gas.«
Der junge Reporter sah pflichtschuldig düster drein. »Tja«, sagte er. »Warum setzen sich die Kerle in Washington nicht endlich auf die Hinterbeine und schicken Buenos Aires zum Teufel? Weshalb sitzen wir hier herum und warten, bis sie uns erwischen?«
»Das entscheidest weder du noch ich, Sonny. Du kannst doch nicht verlangen, daß die Freunde in Washington etwas unternehmen, bevor der Diplomatenschnaps alle ist? Gib mir mal eine Flasche 'rüber, wenn wir schon beim Thema sind.«
»Ich finde immer noch, daß die Roten recht hatten«, sagte der junge Mann widerspenstig. »Wir hätten uns aus der Sache heraushalten und ihnen Brasilien und Argentinien lassen sollen. Sie waren eher da als wir.«
»All diese verdammten Büsche«, knurrte einer der Fernsehleute. »Und keine einzige Blondine, die man davor posieren lassen könnte. Müssen wir ausgerechnet hier Neujahr feiern! Ich möchte wissen, wie es jetzt auf dem Times Square aussieht.«
Der ältere Reporter zuckte mit den Schultern.
»Er ist vollgestopft mit Menschen, und die Menschen beobachten alle den Bildschirm auf dem Times Building, weil sie wissen wollen, was mit den Idioten auf dem Berggipfel da oben passiert. Viel bekommen sie von euch nicht zu sehen.«
»Dafür sind wir ja hier, daß wir ihnen möglichst wenig senden. Wenn hier wirklich etwas los wäre, hätten wir von hier bis Dubuque den reinsten Kabelsalat.«
»Ach, Quatsch! Ihr würdet euch bei Jimmy alle unter den Tischen verkriechen und hoffen, daß man euch bei der Verwirrung übersieht.«
»Meinetwegen sollst du recht haben, Opa.«
Vom Berg her hörte man wieder Gesang, und eine mächtige Stimme rief unverständliche Worte. Mitten in der zweiten Strophe muhte eine Kuh abfällig. Es waren nicht wenige Tiere in der Rettungsarche.
»Mich hast du noch nie unter einem Tisch gesehen«, sagte der jüngere
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