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Gespenst aus der Zukunft

Gespenst aus der Zukunft

Titel: Gespenst aus der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Howard (Hrsg.)
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»Angenommen, Sie hätten ein Gerät oder Atom, das ein einziges Elektron aussendet; und dieses Elektron schlägt mit gleichgroßer Wahrscheinlichkeit eine von zwei verschiedenen Richtungen ein. Da das Elektron nur einen Weg nehmen kann, ist seine tatsächliche Richtung nicht durch seine Vergangenheit bestimmt. Man könnte also sagen, daß es freien Willen besitzt, nicht wahr? Nun stellen Sie an einer der möglichen Bahnen einen gewöhnlichen Geigerzähler auf und an der anderen eine Verstärkervorrichtung, die durch das Elektron einen Impuls erhält, der ein Lager mit Dynamit zur Explosion bringt. Und der Unterschied zwischen einem harmlosen Ticken und einer Explosion, die eine ganze Stadt zerstören kann, ist doch auch im Makrokosmos wichtig. Oder nicht?«
    Der Philosoph lachte leise, ein stilles Lachen, an das sich der Geächtete über verlorene Jahre hinweg erinnerte. Es war, als stünde der Mann wieder vor seiner Klasse und diskutierte nach allen Seiten hin mit Rätseln und Paradoxien, nur um eine Gedankenreaktion auszulösen. Jede echte Reaktion befriedigte ihn – der Philosoph hatte nie viel darauf gegeben, was seine Schüler glaubten, solange nur irgend etwas in ihren Hirnen vorging. Er hatte immer behauptet, daß eine Endlösung den Untergang des Intellekts darstellte, und seine Einstellung hatte ihn schließlich den Posten gekostet. Wenn er nicht auf der ganzen Welt so berühmt gewesen wäre, hätte sie ihn wahrscheinlich das Leben gekostet.
    Der kleine, rote Zigarettenpunkt wurde schwächer und stärker, wie eine winzige Faust, die gegen die Tore der Dunkelheit schlug. Anstrengung zitterte in den Worten des Geächteten mit. Er war zu seinem alten Lehrer geflohen, weil er um sein Leben fürchtete, und er nahm Zuflucht bei dieser Diskussion, weil er um seinen Verstand fürchtete; aber seine gewaltsam erzwungene Ruhe konnte jeden Moment zusammenbrechen.
    »Das ist etwas anderes«, erwiderte er. »Die Bahn des Elektrons wird nicht durch Energieleistungen bestimmt. Aber man kann den vorbestimmten Kurs des Makrokosmos nicht verändern, ohne Energie zur Bewegung der Atome aufzuwenden, oder? Und da diese Energie selbst einer der Bestimmungsfaktoren ist, folgt daraus, daß so eine Veränderung – oder eine Ausübung des freien Willens, wenn Sie wollen – dem Gesetz von der Erhaltung der Masse widerspricht.«
    »Kein anderer als Maxwell zweifelte das an«, sagte der Philosoph. »Er erklärte einmal ...«
    »Zum Teufel mit Maxwell!« Es war Haß gegen die ganze Welt, der in der Stimme des Geächteten mitschwang. Es war noch nicht lange genug her, seit er den Folterzellen des Staates entkommen war. »Ich sage Ihnen, daß ein Universum des freien Willens ein Universum des Chaos wäre – Ihre Darwin-Explosionen würden sich dauernd und überall ereignen. Und doch haben Sie immer behauptet, daß den Geschehnissen eine Ordnung innewohne, daß das Leben auf irgendein Ziel zustrebe ...
    Wie bei ...« Er unterdrückte die häßlichen Worte, die ihm auf die Lippen gekommen waren, zog heftig an seiner Zigarette und fuhr mit mühsamer Beherrschung fort: »Wie können Sie die beiden Begriffe miteinander vereinen? Der freie Wille und das teleologische Universum widersprechen einander.«
    »Nein.« Vielleicht lächelte der Philosoph. Man konnte es in der Dunkelheit nicht erkennen. »Ich habe eben gesagt, daß Maxwells philosophische Spekulationen einen Weg für die Existenz des freien Willens andeuteten; aber in seinem rein wissenschaftlichen Werk über Bestimmungsfaktoren kann man einen Hinweis auf die Mechanik der Teleologie finden. Der Begriff der Rückkoppelung ...«
    Etwas schien in dem Geächteten zusammenzubrechen. Er warf sich in einen Stuhl und saß lange Zeit da, ohne zuzuhören. Als er wieder sprach, klang seine Stimme irgendwie tot.
    »Außerdem, Sir, bin ich zum Teil sogar Ihrer Meinung – was das sinnlose Chaos des unkontrollierten freien Willens betrifft. Wenn man das Jüngste Gericht herankommen sieht und erkennt, daß der Mensch es selbst heraufbeschwört – gegen alle Vernunft –, dann fragt man sich, ob es überhaupt Vernunft im Universum geben kann ...
    Haben Sie nicht einmal gesagt, daß die Geschichte eine Tendenz zum Besseren zeigt – daß immer dann, wenn die Lage zu schlimm wird, eine Art Ausgleich stattfindet?«
    »Das stimmt.« Der alte Mann nickte. »Man kann es an vielen Beispielen sehen. Wir leben nicht in der besten Welt, aber es ist auch nicht die schlechteste, und wir machen Fortschritte.

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