Gespenster Kuesst Man Nicht
auf das Fenster zukam. »Jack«, sagte ich im Flüsterton.
»Jep, und jetzt spüren ihn die Jungs.«
Mit atemberaubender Geschwindigkeit flitzten die beiden gelben Schemen durch das Fenster aus dem Raum. Draußen gesellte sich wieder der grünliche zu ihnen. Sie sausten vor der sich nähernden roten Gestalt davon und verschwanden schließlich im Wald. In diesem Augenblick begann das Wärmebildgerät heftig zu wackeln, und man erkannte kaum noch etwas.
»Das ist der Moment, wo Nicholas mich angegriffen hat«, sagte Gil etwas zerknirscht.
»Und was sagst du zu alldem, M. J.?«, fragte Steven.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht genau«, gestand ich. »Ich würde sagen, wir haben es mit einem Psychopathen zu tun. Hatchet Jack ist ganz klar ein gewalttätiger Irrer, und die Tatsache, dass da offenbar außer ihm noch drei kleine Jungen auf dem Schulgelände gestrandet sind …« Ich verstummte. Endgültige Schlüsse fand ich noch zu gewagt.
»Na ja, egal wer Jack war, er hat offensichtlich drei kleine Jungs umgebracht.«
»Das dritte Kind könnte auch ein Mädchen gewesen sein«, bemerkte Steven.
Ich nickte. »Ja, die Energie war so schwach, dass nicht mal ich sie richtig gespürt habe. Aber wir sollten besser nicht zu viel spekulieren, Leute.«
Gil legte den Kopf schief. »Was meinst du?«
»Ich meine, auch wenn die drei Kindergeister vor Jack flüchten, sollten wir nicht automatisch annehmen, dass er sie ermordet hat.«
»Aber warum sollten sie es sonst tun?«, fragte Steven. »Außerdem – weißt du nicht mehr? Eric hat deutlich gesagt, dass Jack ihm in dem Klassenzimmer wehgetan hat.«
»Gestrandete Seelen können durchaus miteinander interagieren, und das muss nicht auf friedliche Art sein. Eine gestrandete Seele ist ja von Anfang an in einem verwirrten Zustand, und wenn sie dann eine andere Seele trifft, die sozusagen in ihrem Revier herumstreunt, kann es zur Konfrontation kommen. Das ist neben der Tatsache, dass der Geist sich an Veränderungen seiner Umgebung stört, der häufigste Grund für knallende Türen oder herumfliegende Gegenstände.«
Steven seufzte. »Diese Geistersachen sind so kompliziert.«
Ich lächelte. »Ich weiß, ich weiß. Also, zuerst würde ich mich gern auf die Kinder konzentrieren. Die machen mir am meisten Sorgen.«
»Willst du sie ins Jenseits bringen, bevor wir uns Jack vorknöpfen?«, fragte Gil.
»Ja. Mir ist nicht wohl, solange ich weiß, dass sie in ständiger Angst sind. Außerdem kann uns vielleicht eines erzählen, was ihm passiert ist. Ich werde mein Bestes tun, um herauszufinden, in welchem Jahr sie ungefähr gestorben sind, dann können wir unsere Nachforschungen daran anknüpfen.«
Steven war sichtlich betroffen. »Glaubst du, sie könnten doch Schüler der Schule gewesen sein?«, fragte er leise.
»Keine Ahnung. Außerdem hab ich schon mal gesagt, wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Die Schule existiert erst seit hundert Jahren. Diese Kinder könnten lange davor hier gewohnt haben.«
»Wie sie wohl gestorben sind?«, überlegte Gil.
Ich zuckte mit den Schultern. »Da gibt s viele Möglichkeiten, Kumpel. Eine Krankheit, ein Unfall bei der Farmarbeit, irgendeine Naturkatastrophe, ein Brand, Hunger. Such dir was aus.«
»Wieder Fragen über Fragen und keine Antworten«, sagte Steven.
»Herzlich willkommen bei der Geisterjagd!«, sagte ich trocken. Dann sah ich Gil an. »Deine Idee mit den alten Polizeiprotokollen ist klasse. Lasst uns morgen nachschauen, wann das mit den Geistermeldungen angefangen hat.«
»Ist gebongt«, sagte Gil.
Ich wandte mich an Steven. »Wir beide können in die Bibliothek gehen und uns die alten Zeitungen vornehmen. Vielleicht finden wir einen Hinweis, was den Jungen passiert sein könnte. Wenn wir Glück haben, gibt es sogar einen Artikel, bei dem es uns wie Schuppen von den Augen fällt.«
Steven schaute skeptisch. »Ein Schuppen von den Augen?«
Ich grinste. »Lassen wirs auf uns zukommen. Na, dann gehen wir mal schlafen, damit wir morgen früh aus dem Bett kommen. Ich hab das Gefühl, es könnte ein verdammt langer Tag werden.«
Ich hatte keine Ahnung, wie gewaltig untertrieben das war.
5
Früh am nächsten Morgen machte ich eine kleine Joggingrunde, entfernte mich aber nicht allzu weit von Karens Haus, um mich nicht zu verlaufen. Als ich zurückkam, war Steven schon auf und machte Frühstück. »Riecht lecker«, sagte ich fröhlich und schenkte mir einen Kaffee ein.
»Ich mache Waffeln«,
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