Gespenster um Al Wheeler
den
Klüngel gearbeitet, der praktisch das ganze verdammte Tal besitzt, wo mein
Bruder«, seine Stimme senkte sich plötzlich, »- ich meine, der Kopf meines
Bruders gefunden wurde. Sie heißen Sumner — und die alte Dame sah Tino in
diesem Haus dort, kurz bevor er umgebracht wurde, und sie hörte auch, wie ihn
jemand bei seinem Namen nannte .«
»Sie wollten mir damit etwas
sagen, Gabriele«, sagte ich freundlich.
»Es muß ihn jemand umgebracht
haben, der dort im Haus lebt«, sagte er gepreßt. »Das bedeutet, daß es jemand
sein muß, der Sumner heißt. Wie viele Sumner gibt es dort, Lieutenant ?«
»Fünfundsechzig nach der
letzten Zählung«, knurrte ich. »Sie lassen die Finger von der Sache, Gabriele —
oder es kann Ihnen passieren, daß Sie aus Pine City
nicht mehr wegkommen .«
»Gabe!« Georgies Stimme war ein zitterndes Winseln. »Ich brauche unbedingt etwas zu trinken .«
»Halt den Mund !« sagte er geistesabwesend. »Soll das eine Drohung sein,
Polyp ?«
»Ich drohe niemals jemandem,
Gabriele«, sagte ich langsam. »Es ist mehr so etwas wie die Vorahnung eines
Zigeuners. Ihr Bruder wurde im Pine City County umgebracht,
und damit ist die Sache Angelegenheit des Sheriffs — und meine. Wenn Sie Ihre
Nase hineinstecken, schneide ich sie Ihnen glatt ab .«
»Erwischen Sie ja den Burschen,
der’s getan hat, Polyp«, sagte er erregt, »und zwar dalli. Sonst kann es
passieren, daß hierzulande eine ganze Reihe von Nasen abgeschnitten wird — einschließlich
Ihrer eigenen .«
»Komm, Gabe !« Georgie zupfte ihn am Jackenärmel. »Wenn ich jetzt
nicht was zu trinken bekomme, werde ich verrückt. Ich kann hier nicht
herumsitzen und nichts tun .«
Es gab einen scharfen,
explosionsartigen Laut, als sein Handrücken über ihren Mund fuhr. Sie saß da
mit glasigen Augen und gab keinen Laut von sich, während ihr langsam ein wenig
Blut über das Kinn lief.
»Nun hast du was zu tun«, sagte
er böse. »Du kannst dir merken, daß du deine Klappe zu halten hast, wenn ich
beschäftigt bin — denn sonst passiert genau das hier .«
»Machen Sie, daß Sie aus dem
Wagen hinauskommen, Gabriele«, sagte ich barsch. »Allein Sie so nah bei mir
sitzen zu haben, verursacht mir Übelkeit .«
»Sie haben ein ungewaschenes
Mundwerk, Polyp«, schnaubte er. »Wir wollen mal sehen, ob Sie noch in einen
Schuh hineinpassen, wenn die ganze Sache vorüber ist .«
Er öffnete die Wagentür und
stieg aus. Dann beugte er sich wieder ins Wageninnere, packte eine Handvoll
schwarzes Satinkleid und zerrte Georgie hinaus, wie
einen Korken aus der Flasche.
Der Blinde rutschte den Sitz
entlang, bis sein weißer Stock die offene Tür und den Randstein draußen
ertastet hatte.
»Es war ein interessanter
Vormittag, Lieutenant, sehr interessant .« Die weiche,
kultivierte Stimme beruhigte mein Trommelfell wie ein Schlafmittel. »Wir
treffen uns hoffentlich wieder einmal, ich halte Sie für eine sehr anregende
Persönlichkeit .«
»Danke, Ed«, sagte ich höflich.
Er war beinahe aus dem Wagen
gestiegen, als ihm offenbar etwas Wichtiges einfiel. Sein schimmerndes Haupt
mit den Haarbüscheln erschien wieder im Wageninnern. Er hob den Kopf, und seine
blicklosen Augen waren unbehaglich nahe.
»Entschuldigen Sie,
Lieutenant«, sagte er mit heiterem Lächeln. »Bei der ganzen Aufregung bin ich
gar nicht dazu gekommen, mich richtig vorzustellen — ich heiße Edward Duprez .«
»Nun, nochmals vielen Dank für
Ihre Hilfe vorhin, Mr. Duprez , bei dem
Leichenhauswart«, sagte ich, noch immer sehr höflich, und wunderte mich vage,
weshalb er wohl auf eine formelle Vorstellung solch gewaltigen Wert legte — ein
Bursche, der mit Martinelli herumreiste und mit einem
Polizeibeamten auf freundschaftlichem Fuß stehen wollte?
Sein Kopf verschwand wieder aus
dem Wagen, und gleich darauf schlug die Tür zu. Ich hörte den rhythmischen
Aufschlag seines Stocks, als er über den Gehsteig auf das Hotel zuging. Ich
fuhr los. Und es dauerte fünf volle Minuten, bevor sich die Schleusen meines
Erinnerungsvermögens zum zweitenmal an diesem Tage
öffneten. Sheriff Lavers würde, so dachte ich
verblüfft, fuchsteufelswild werden.
Bevor ich ins Büro zurückging,
nahm ich noch ein Steaksandwich und etwas zu trinken zu mir, denn, gleich Georgie , war ich dessen bedürftig. Ich hatte mehr Glück als
sie — ich bekam deshalb keinen über die Klappe gewischt.
Annabelle Jackson sah mich mit
weit aufgerissenen Augen atemlos an, als ich hereintrat. »Geht es
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