Gespielin des Feuers: Roman (German Edition)
jetzt nicht – ich kann dich nicht einmal anschauen.«
Unter ihren Lidern brannten Tränen. Wie er sie behandelte, durfte sie ihm nicht verübeln. Doch sie musste ihm alles erklären und hoffen, er würde es verstehen. Ein schwieriges Unterfangen, weil sie es selber nicht verstand.
»Was damals geschehen ist, habe ich dir erzählt. Du sagtest, daran sei ich nicht schuld. Das hätte ich nur getan, um zu überleben.« Über ihre Wange rollte eine Träne, die sie wegwischte. »Und du sagtest …«
»So viel habe ich gesagt, Rik.« Er sah zum Himmel hinauf und schüttelte den Kopf. »Aber es ist anders, wenn man über jemanden redet, der …«
»Ist das nicht ein bisschen heuchlerisch?«
»Ja, das ist es.« Er wollte weggehen, aber sie hielt ihn fest.
»Warte! Du sagtest, du wärst da, um mich aufzufangen, und wir würden es gemeinsam durchstehen!«
Während er ihre Finger von seinem Handgelenk löste, schaute er sie noch immer nicht an. »Inzwischen müsstest du an meine Lügen gewöhnt sein, Rik.«
Leicht benommen taumelte sie zurück, und er eilte davon. In ihrem Innern heulte das Tier auf, er möge zurückkommen.
Das tat er nicht.
ALS ER RIKS SCHRILLE KLAGE HÖRTE, wollte er niederknien und sich die Ohren zuhalten. Um das Geheul zu übertönen, wollte er schreien, bis seine wunde Kehle schmerzen würde. Bis die Bilder in seinem Gehirn verschwinden würden … So deutlich zeigten sie ihm, wie Rik seinen Vater tötete, den er nie gekannt hatte. Und er wollte die Wölfin bestrafen, die ihm die einzige Chance zu einer gottverdammten Klärung seiner ganzen Lebenssituation genommen hatte.
»Warte, Trance!« Nun war es Kira, die nach ihm rief.
Trotzdem drehte er sich nicht um, weil er die Fassung zu verlieren fürchtete, wenn er Riks Gesicht sah.
»Trance, bitte!« Kira erschien an seiner Seite und versuchte mit ihm Schritt zu halten.
»Nicht jetzt, Kira. Ich musste weg von ihr … Sonst hätte ich etwas gesagt, das ich später vielleicht bereuen würde. Lass mich bitte einfach gehen.«
Aber sie postierte sich so schnell vor ihm, dass er beinahe stolperte. »Das darfst du ihr nicht antun.«
»Erzähl mir bitte nicht, was ich darf und was ich nicht darf!«
»Wenn Tommy mich eine Hure genannt hätte? Wegen all der Männer, mit denen ich während meines Frühlingsfiebers schlief, bevor ich ihn traf? Würdest du das wirklich fair finden?«
»Das ist was anderes, und du weißt es!«, fauchte er.
»Gib ihr eine Chance. Damals hatte sie sich nicht unter Kontrolle. Ebenso wenig wie ich.« Über Kiras Wangen flossen Tränen.
Verdammt, Ender würde Trance umbringen, wenn er wüsste, wie maßlos der Kerl seine Frau aufregte.
»Hier geht es nicht um Sex, Kira. Würde es damit zusammenhängen, hätte ich keine Probleme. Das würde ich hinkriegen und sogar vorziehen. Aber – es betrifft meine Familie.«
»Deinen Vater, den du nicht kanntest und der dich im Stich ließ. Hat Rik das getan? Nein. Ganz sicher nicht, als sie dich für einen armen kleinen Excedo hielt, der Hilfe brauchte. Sie hat sich um dich gesorgt, obwohl du sie in immer schlimmere Gefahren gebracht hast. Was hat denn dein Dad für dich getan?«
In seiner Brust wurde das Gefühl der Leere immer größer. Nach einem tiefen Atemzug erwiderte er: »Warum quälst du jemanden, der ohnehin schon am Boden zerstört ist, so gnadenlos, Kira? Ich bin nicht Ender – ich muss dich nicht lieben und dir nicht verzeihen und verdammt noch mal nicht auf dich hören.«
Zweifellos stand ihm ein Kampf mit Ender bevor. Doch das war ihm scheißegal. Er stürmte an Kira vorbei, auf den Waldweg, der zu seinem Haus führte.
Noch immer drang Riks Klage zu ihm durch – noch sehr lange, nachdem er seine Tür hinter sich geschlossen hatte.
DIE AUGEN GESCHLOSSEN, KNIETE RIK IM GRAS – unfähig, Trances Flucht zu beobachten.
Kira war ihm gefolgt, und Rik hatte keine Ahnung, warum. Viel schlimmer, sie wusste, es würde keinen Unterschied machen, was die neue Freundin ihm erklärte. In Trances Augen hatte sie eiserne Entschlossenheit gesehen. Gleichgültig, welch starken Druck man auf ihn ausüben mochte – er würde nirgendwo bleiben, wo er nicht sein wollte.
Oder bei jemandem, mit dem er nicht zusammen sein wollte.
Nein, Trance besaß unglaubliche physische und genauso enorme mentale Kräfte.
»Rik?«, flüsterte Kira und sank neben ihr auf die Knie.
Aber Rik spürte noch eine andere Witterung – eine maskuline Präsenz, die Sorge und die nervöse Anspannung eines
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