Gespielin des Feuers: Roman (German Edition)
rauskommen.« Sie drehte ihren Kopf wieder zur anderen Seite. So weit wie möglich musste sie sich von ihm entfernen. Denn falls er gewisse Teile seiner Erinnerungen zurückgewonnen hatte, würde er wissen, was zwischen ihnen geschehen war. Und er benahm sich so, als würde es nichts bedeuten.
Unglaublich – nach all den Jahren gelang es ihm immer noch, sie so schmerzlich zu verletzen.
16
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ES WAR NICHT MITTERNACHT, sondern vier Uhr morgens, und diesmal läutete das Telefon statt der Türklingel. »Hallo«, bellte Dev in den Hörer.
»Eh, Mr. O’Malley?«, meldete sich der Wachtposten an der Pforte. »Verzeihen Sie die Störung, Sir. Ich wollte Sie nicht anrufen, und ich schwöre, ich habe Creeds Nummer gewählt. Keine Ahnung, wieso Sie am Apparat sind …«
Creed. Also musste es um Gabriel gehen. Verdammt. »Schon gut, Wheeler. Was ist los?«
»Nun, Ihr Neuer macht gerade eine Szene in der Town Bar. Deshalb wollte ich Creed rüberschicken.«
Dev biss die Zähne so fest zusammen, dass sie bald herauszubrechen drohten. »Nein, tun Sie das nicht, ich schicke selber jemanden hin. Und wie zum Teufel ist es ihm bloß gelungen, das Gelände zu verlassen?«
»Er besitzt einen Pass, Mr. O’Malley – der ist gültig. Von Ihnen unterschrieben.«
Verdammt. Dieser verdammte Oz! Aber das war noch lange kein Grund, dem Wachposten zu erzählen, was gerade in Devs Leben alles durcheinandergeriet. »Ich kümmere mich darum.«
Weil er unmöglich in die Bar gehen und sich vor allen Anwesenden um Gabriel bemühen konnte, rief er Marlena an. Ein gewisses Maß an Schicklichkeit musste gewahrt bleiben.
»Marlena, ich brauche deine Hilfe. Kannst du Gabriel davon abhalten, sich komplett zum Narren zu machen? – Er ist in der Town Bar. Bitte, hol ihn da raus.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille, und er dachte schon, sie würde ablehnen. Doch dann antwortete ein schläfriges Flüstern. »Okay, ich bringe ihn nach Hause.«
Ja, nach Hause. In Gabriels Quartier auf dem ACRO-Grundstück. Nicht in Devlins Domizil. »Danke. Und ich will nichts mehr darüber hören.«
Diese eklatante Lüge rang sich kaum aus seiner Kehle.
»Warum zum Geier sorge ich mich?«, fragte er die Zimmerdecke, nachdem er aufgelegt hatte, und bekam keine Antwort.
ALS SIE DIE BAR AUF DER HAUPTSTRASSE von Catskill betrat – jener kleinen Stadt, in deren Nähe das ACRO-Gelände lag –, drehten sich alle Köpfe zu ihr um. Das spürte Marlena für ihren Geschmack viel zu intensiv. Wann immer sie irgendwo auftauchte, passierte das, und die Ironie der Situation amüsierte und deprimierte sie jedes Mal gleichermaßen.
Gewiss, sie sah umwerfend aus. Das erkannte sie so objektiv wie jemand, der ein Kunstwerk betrachtete und seine Vollkommenheit feststellte.
Aber wie sie aussah, spielte keine Rolle in der Realität ihres Daseins. Außer ihr selber wussten nur wenige Leute Bescheid. Darüber sprach sie nicht mit ihnen, denn sie würde nur Mitleid erregen. Die ermutigenden Blicke nahm sie nicht ernst und redete sich ein, schon viele großartige Menschen hätten ein wunderbares Leben geführt, ohne geliebt zu werden.
Niemals würde sie ein wahres Glück finden. Stattdessen begnügte sie sich damit, anderen beizustehen. Zum Beispiel Devlin. Und jetzt einem sturzbetrunkenen, tobsüchtigen Gabriel.
In diesem Moment wurde er von drei großen Rockertypen umzingelt, die nicht zu ACRO gehörten und keine Chance gegen den Burschen hatten. Genau das wollte Gabe in dieser Nacht – um sich schlagen, jemanden verletzen.
Er war attraktiv, auf maskuline Art schön. Und er hatte etwas an sich, das einfach leuchtete. Seine Anziehungskraft entging Marlena nicht.
Als sie sich direkt vor ihm postierte, schaute er ihr in die Augen und packte sie bei den Schultern – offensichtlich, um sie aus dem Weg zu schieben.
»Hören Sie mir zu – wenn Sie mir wehtun, wird Dev Sie ohne Zögern umbringen«, sagte sie leise.
Sobald sie diesen Namen erwähnte, beruhigte er sich. Ja, zweifellos, da lag etwas in der Luft. Die Zusammenhänge waren ihr schon bewusst geworden, nachdem Dev sich geweigert hatte, Gabriels Akte zu lesen. Und noch deutlicher, als er am letzten Morgen den Verlust seiner Instinkte beklagt hatte.
Beschwichtigend nickte sie den Männern zu, über die Gabe hatte herfallen wollen. An Marlenas Anwesenheit waren sie gewöhnt. Aus Respekt vor ihr – und weil der Barkeeper Selbstjustiz mit einem abgenutzten Metallschläger zu üben pflegte – tauchten sie in der
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