Gesponnen aus Gefuehlen
nichts passierte, musste ich mir einen anderen Plan überlegen. Kurz bevor die Zeit ablief, kam Marie hereingestürmt und schrie, dass es in der Bibliothek brannte. Ich wollte zu ihr und sie fragen, ob du im Archiv bist, aber da war sie wieder verschwunden. Als ich in den Flur kam, sah ich den Qualm, der aus dem Archiv drang. Da wusste ich, dass du dort unten warst. Den Rest weißt du ja.«
»Ich dachte, ich sterbe«, flüsterte Lucy. »Und dann war da eine Stimme und jemand hob mich hoch. Wie bist du durch das Feuer gekommen? Es war überall!«
»Für mich war es ungefährlich. Es ist ein magisches Feuer. Batiste hat es entzündet. Ich weiß nicht, wie er das tut. Und ich wusste nicht, ob ich den Schutz auf dich übertragen kann, aber ich hatte keine Wahl. Ich bin einfach mit dir durchgelaufen.«
Lucy runzelte die Stirn. »Weshalb hast du es nicht gelöscht? Dann wären nicht so viele Bücher verbrannt.«
Nathan schüttelte seinen Kopf. »Das kann ich nicht. Es ist nicht normal, dass Batiste diese besonderen Fähigkeiten hat. Die einzige Gabe, die wir normalerweise besitzen, ist die, Bücher auszulesen. Wir sind keine Zauberer oder so etwas.«
»Wieso kann er es? Das ist unheimlich«, sagte Lucy und ihre Furcht vor Batiste steigerte sich ins Unermessliche.
»In der Bibliothek des Bundes gibt es mittlerweile unzählige Werke. Ich vermute, dass einer meiner Vorfahren alchemistische Bücher in unsere Obhut gebracht hat. Anders kann ich mir diese Magie nicht erklären. Ich glaube, dass Batiste diese Bücher studierte, und gelernt hat, diese Magie zu beherrschen.«
»Was kann er sonst noch?«, fragte Lucy leise.
»Das weiß ich nicht, Lucy. Aber ich habe Angst, dass es noch viel schrecklicher ist als das Feuer!«
»Die Bücher haben mir vertraut. Ohne mich wäre das alles nicht passiert«, sagte Lucy verzweifelt.
Wieder griff Nathan nach ihrer Hand und Lucy zog sie nicht fort.
»Wann hast du beschlossen mir zu helfen, Nathan? Warum hast du dich entschieden, deinem Großvater die Stirn zu bieten?« Sie sah ihn nicht an, sondern betrachtete die schmalen Lichtstreifen, die ihr Handgelenk entlang kletterten und Nathans Finger umschlangen.
»Weißt du das nicht«, stellte Nathan eine Gegenfrage.
»Nein. Ich bin nicht sicher. Du wirst es mir sagen müssen«, Lucys Stimme klang jetzt fester, wofür sie dankbar war.
Nathan seufzte und überlegte einen Moment.
»Er schreckt vor nichts zurück, Lucy. Das mit deinen Eltern tut mir leid, aber das, was er dir antun will, ist ungleich schlimmer.«
Lucy sah Nathan an. Was konnte schlimmer sein als der Tod?
»Er will deinen Willen brechen. Er wird dich einem Mann ausliefern, der glaubt, dass seine Familie ein Anrecht auf dich hat. Sir Beaufort will der Vater der nächsten Hüterin werden. Verstehst du, was das bedeutet?«
Lucy konnte nicht einmal nicken. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie ihn an.
»Ich durfte das nicht zulassen. Deshalb habe ich dich hergebracht. Das war der Grund.«
Lucy glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Ihr wurde übel. Das konnte nicht sein. Wie kamen diese Männer darauf, dass sie jemanden heiratete, den sie nicht einmal kannte und dann auch noch … Ihr Magen begann zu rumoren. Sie sprang auf und rannte zur Toilette. Sie würgte, bis sie nichts mehr herausbrachte. Es dauerte, bis sie sich gefangen hatte. Sie war Nathan dankbar, dass er sie in Ruhe ließ. Sie wusch sich das Gesicht und spülte den Mund aus. Dann ging sie zurück in die Küche. Nathan sah ihr entgegen. Besorgt blickte er sie an. Doch sie wollte sein Mitleid nicht. Sie wollte, dass er verschwand. Er war an allem schuld.
»Ich würde gern ein bisschen allein sein, wenn du nichts dagegen hast«, sagte sie.
Er nickte und Lucy drehte sich um und verließ den Raum.
Bücher sind dazu da,
unseren Träumen
tausend Wohnungen zu schenken.
Gaston Bachelard
8. Kapitel
Lucy marschierte von einer Seite des Raumes zur anderen. Sie hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen und versuchte sich zu wärmen. Die Erklärungen, die Nathan ihr gegeben hatte, wirbelten ihr durch den Kopf. Vielleicht sorgte er sich tatsächlich um sie. Es hörte sich alles vernünftig an. Trotzdem blieb ihr Misstrauen. Sie würde verlangen, dass er sie gehen ließ. Sie wusste zwar nicht wohin, aber alle Alternativen erschienen ihr besser, als mit ihm in dieser kalten Hütte zu bleiben.
Ihr grauste vor dem, was die Männer planten ihr anzutun, wenn sie sie zu fassen bekamen. Lieber würde sie
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