Gesponnen aus Gefuehlen
Schlimmeres mit dir vor, als dich umzubringen, Lucy. Er schreckt vor nichts zurück, um dich zu zwingen, das zu tun, was er verlangt. Ich hatte meine Gründe, um dich fortzubringen. Ich konnte nicht zulassen, dass er dir wehtut.«
Er klang aufrichtig, gestand Lucy ihm zu. Aber wahrscheinlich war das nur ein Trick. Wenn sie wenigstens ihr Handy hätte, könnte sie Colin anrufen. Er wüsste, was zu tun war. Er würde sie abholen.
»Colin hat mir übrigens geglaubt«, sagte Nathan und sie hörte deutlich das Zögern in seiner Stimme.
»Was meinst du damit?«
»Ich habe mit ihm gesprochen und ihm klargemacht, in welcher Gefahr du schwebst. Die einzige Möglichkeit, die uns einfiel, war – und zwar ich möchte betonen, weil du so bockig warst – dass ich dich gegen deinen Willen fortbringe. Bestimmt nimmt er an, dass ich dich in Sicherheit gebracht habe.«
Lucy glaubte, sich verhört zu haben. Wutentbrannt sprang sie vor und drehte den Schlüssel im Schloss. Die Tür ging auf und knallte Nathan an den Kopf. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich die Stirn. Er war nicht im Bett gewesen.
Lucy ballte ihre Hände zu Fäusten.
»Willst du mir etwa sagen, dass mein bester Freund mich verraten hat?«, brüllte Lucy ihn an. »Und das soll ich dir glauben? Wie soll ich dir vertrauen, wenn du nach wie vor Lügen erzählst. Hast du jemals einen Freund gehabt? Das ist so erbärmlich, dass du mich gegen Colin aufhetzen willst.« Ihr blieb die Luft weg und erst jetzt erkannte sie, was sie angerichtet hatte.
In aller Seelenruhe zog Nathan den Schlüssel aus der Tür und grinste sie dabei höhnisch an.
»Geht doch«, murmelte er. Am liebsten hätte Lucy geschrien.
Nathan ging in die Küche und schenkte sich eine Tasse Tee ein.
Lucy stapfte ihm hinterher.
»Ach übrigens. Ich habe es ihm schon vorgeschlagen, als du im Krankenhaus lagst, aber er hat sich nicht darauf eingelassen. Er meinte, du würdest ihn für den Rest seines Lebens hassen, und das Risiko wollte er nicht eingehen. Ihr steht euch sehr nahe, oder?«
»So nah, wie du niemals einem Menschen kommen wirst.«
Nathan lehnte sich gegen den Küchenschrank. »Wie soll es weitergehen?«, fragte er, ohne auf ihre Antwort einzugehen. Seine Wangenknochen mahlten, aber er hatte seine Wut erstaunlich gut unter Kontrolle, fand Lucy.
Sie antwortete nicht, erst musste sie ihrerseits versuchen, sich zu beruhigen. Ansonsten sagte sie Dinge, die sie später vielleicht bereute.
»Muss ich dich festbinden, oder können wir vernünftig miteinander reden?«
»Lass mich gehen«, bat sie. »Wenn du das tust, sehe ich von einer Anzeige wegen Freiheitsberaubung ab.«
Nathans Mund verzog sich zu einem herablassenden Grinsen und er trat näher an sie heran.
»Du willst mich anzeigen? Und was willst du der Polizei erzählen?«
»Dass du mich mithilfe deines Großvaters betäubt und verschleppt hast, was sonst?«
»Und welchen Grund sollen wir dafür gehabt haben?«
Lucys Argumentation kam ins Stocken. Wenn sie der Polizei von dem Bund erzählte, beförderten die sie persönlich in die Psychiatrie.
»Da fällt mir schon etwas ein. Aber ich bin lieber in der Klapsmühle als in den Fängen deines geisteskranken Großvaters.«
»Du hast es immer noch nicht verstanden, Lucy. Ich habe dich hierher gebracht, damit du gerade dorthin nicht kommst.«
Lucy hörte ihm nicht zu. »Niemals werde ich dir helfen. Dir kann man nicht trauen …« Sie stockte und verstummte. »Was hast du gesagt?«, fragte sie nach.
Nathan verschränkte seine Arme vor der Brust. »Dass ich dich hergebracht habe, damit du nicht länger in den Fängen meines Großvaters bist.«
Lucy sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie nach einer Weile.
»Das merke ich. Du hörst ja auch nie zu.«
Nathan schob Lucy einen Stuhl zu. »Setz dich«, forderte er.
Bei seinem Befehlston regte sich in Lucy Widerstand. Trotzdem nahm sie nach kurzem Zögern Platz.
»Ich erkläre es dir noch einmal in Ruhe. Ich wusste nichts von dem Feuer. Nachdem du nicht auf meine Nachrichten geantwortet hast, bin ich nach Hause gegangen. Dort erzählte mir mein Großvater, dass er mit dir gesprochen hat. Du kannst dir nicht vorstellen, was für einen Schreck ich bekommen habe. Nachdem, was mit diesem Vikar passiert war, hatte ich ständig Angst, Batiste könnte dir zu nahe kommen. Ich hoffte, dass ich dich überzeugen könnte, mit uns zusammenzuarbeiten. Das hoffe ich übrigens immer noch. Es wäre
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