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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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Verlies, zeichnete und las. Während ihm das Zeichnen leicht von der Hand ging, fiel ihm das Lesen unendlich schwer. Es war, als wehrten die Bücher sich gegen ihn. Das hatten sie vorher nie getan. Sein Großvater würde ihm die Schuld geben, dass er nur schleppend vorankam. Er versuchte es, doch während ihm das Auslesen des Dorian Gray schließlich gelungen war, wehrte sich Nicholas Nickleby standhaft. Nathan schien es, als prallte sein Geist immer und immer wieder gegen eine Wand, die er nicht zu überwinden vermochte. Das war unmöglich. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er vermuten, dass das Buch ihm Widerstand leistete. Es war nie einfach gewesen, die Bücher auszulesen, aber solche Schwierigkeiten hatte er nie gehabt.
    Wahrscheinlich brauchte er Bewegung und frische Luft. Er stand auf und ging zu der schweren Eichentür, die ihm den Weg nach draußen verwehrte. Er wusste, dass sein Großvater Sirius davor postiert hatte. Als ob er allein hier hinauskam. Die Bibliothek war das sicherste Gefängnis der Welt, für die Bücher und für ihn. Die Tür ließ sich von innen nicht öffnen. Ein Zauber hielt sie verschlossen. Allerdings hatte er nicht vor zu fliehen. Solange er die Wünsche seines Großvaters erfüllte, hoffte er, dass dieser Lucy in Ruhe ließ. Orions Schusswunde war noch nicht verheilt, Sirius war damit beschäftigt, ihn zu bewachen, und sein Großvater war nicht kräftig genug, um hinter Lucy herzujagen. Die einzige Unbekannte in dem Spiel waren die anderen Mitglieder des Bundes. Nathan wusste nicht, ob sein Großvater jemand von ihnen um Hilfe gebeten hatte. Er schätzte Batiste so ein, dass dieser sich keine Blöße geben wollte. Trotz seiner Gebrechen war sein Geist starrsinnig wie immer. Würde er vor den anderen Perfecti eingestehen, dass er die Situation nicht beherrschte? Noch vor zwei Wochen hätte Nathan diese Frage verneint. Nun war er nicht mehr sicher.
    Wenn sein Großvater Beaufort auf Lucy ansetzte, war sie in größter Gefahr. Nathan wollte sich nicht ausdenken, was der Mann mit Lucy anstellen würde, wenn er sie zu fassen bekam. Er musste Lucy warnen. Sie musste wissen, dass ihr nicht nur von seinem Großvater Gefahr drohte. Zwar hatte er es ihr in der Hütte erzählt, aber ob sie daran jetzt noch dachte? Ob ihr klar war, in welcher Gefahr sie schwebte? Er hämmerte gegen die Tür. Wie jedes Mal ließ Sirius sich Zeit, bevor er öffnete.
    »Ich muss an die Luft«, herrschte Nathan ihn an.
    Langsam sah Sirius auf die Uhr, die sein fleischiges Handgelenk zierte. »Es ist noch nicht Zeit«, knurrte er.
    »Ich muss aber jetzt raus, bestell das meinem Großvater.«
    Die Tür knallte vor Nathans Nase zu. Unruhig begann er, in der unterirdischen Bibliothek auf und ab zu wandern. Es gab nur einen Menschen, den er um Hilfe bitten konnte, und das war Sofia. Allerdings wusste er nicht, wie er das bewerkstelligen sollte. Es musste ihm gelingen, mit ihr zu reden oder ihr eine Nachricht zuzustecken. Vielleicht konnte sie mit Colin Verbindung aufnehmen. Nathan glaubte nicht daran, dass Lucy sich nicht bei ihren Freunden meldete. Sie war auf sich gestellt. Sie brauchte Hilfe. Colin würde alles für sie tun, das wusste er genauso gut wie Lucy. Das war seine einzige Chance, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen.
     
    Die Eingangstür seines Verlieses quietschte und Sirius winkte ihn ungeduldig hinaus. »Dein Großvater hat dir eine Stunde gestattet.«
    Erleichtert eilte Nathan an ihm vorbei, die verwinkelten Stufen nach oben. Kalter Abendwind wehte ihm entgegen und er atmete tief ein. In dem Keller hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Er zog seine Jacke fester um sich und durchschritt eilig die Wege des weitläufigen Gartens. Eine halbe Stunde ließ er sich von dem frischen Wind den Kopf frei pusten und verbot sich jeden Gedanken an die Bücher. Dieses Problem würde er lösen. Sie würden sich ihm nicht ewig verweigern. Einzig Lucys Schutz war jetzt wichtig. Als der feine Nieselregen seine Sachen fast völlig durchnässt hatte, wandte Nathan sich dem Haus zu. Wie erwartet stellte sich ihm Sirius, der ihm auf Schritt und Tritt gefolgt war, in den Weg.
    »Ich soll dich umgehend zurückbringen. Befehl deines Großvaters.«
    »Ich bin klitschnass, Sirius. Ich schätze, mein Großvater möchte nicht, dass ich mir da unten den Tod hole. Du kannst mich gern auf mein Zimmer begleiten, während ich mich dusche und umziehe.«
    Schwerfällig senkte der Mann zur Bestätigung seinen Kopf, was Nathan als

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