Geständnis
der
abgesperrten Straße. Hinter ihnen staute sich der Verkehr. Ein
Strom von Fahrzeugen war zum Gefängnis unterwegs gewesen, und als
es nicht weiterging, stiegen die Fahrer einfach aus und schlossen
sich der Menge an. Operation Detour hatte die Zufahrten zum
Gefängnis mit Menschen und Autos überschwemmen sollen, und der Plan
war aufgegangen. Es war nicht gelungen, die Hinrichtung zu
verhindern, aber zumindest waren Dontes Anhänger mobilisiert und
verschafften sich Gehör.
Aaron Rey, der auf dem Bürgersteig wartete, winkte Keith und
Robbie zu sich. „Wir haben einen Fluchtweg gefunden“, sagte er.
„Hier knallt es gleich.“
Sie liefen zum Van und fuhren los. Der Fahrer schlängelte sich
auf Seitenstraßen zwischen geparkten Autos und aufgebrachten
Studenten hindurch.
Martha Handler musterte Robbie, aber er vermied jeden
Blickkontakt. „Können wir reden?“, fragte sie.
Er schüttelte abwehrend den Kopf. Keith ebenfalls. Beide
schlossen die Augen.
Vertragspartner war ein Bestattungsinstitut in Huntsville. Ein
schwarzer Leichenwagen des Unternehmens stand außer Sicht in Walls
Unit bereit, und als die letzten Zeugen und Beamten den Todestrakt
verlassen hatten, rollte er im Rückwärtsgang zu dem Tor, durch das
die Vans angekommen und wieder abgefahren waren. Eine faltbare
Bahre wurde herausgeholt, aufgeklappt und in die Todeskammer
bugsiert, wo sie direkt neben die Liege manövriert wurde, auf der
Donte bewegungslos und nicht mehr festgeschnallt lag. Die Schläuche
waren entfernt und wieder in den dunklen Raum gezogen worden, in
dem der Unsichtbare Formulare ausfüllte. Eins, zwei - auf drei
hoben vier Wachleute Donte vorsichtig an und legten ihn auf die
Bahre, wo er fixiert wurde, wenn auch nicht so fest wie zuvor. Eine
Decke des Bestattungsinstituts wurde über ihn gebreitet, und als
alles seine Ordnung hatte, wurde die Bahre zurück zum Leichenwagen
gerollt. Zwanzig Minuten, nachdem der Tod festgestellt worden war,
verließ die Leiche Walls Unit auf einer Route, auf der weder
Demonstranten noch Kameras zu erwarten waren.
Im Bestattungsinstitut wurde die Leiche in einen
Vorbereitungsraum gebracht. Dort warteten Mr. Hubert Lamb und sein
Sohn Alvin, Eigentümer des Bestattungsinstituts Lamb & Son mit
Sitz in Slone, Texas. Die Einbalsamierung würde in den
Räumlichkeiten in Slone erfolgen, auf demselben Tisch, auf dem fünf
Jahre zuvor Riley Drumm präpariert worden war. Nur war Riley mit
seinen fünfundfünfzig Jahren bei seinem Tod ein alter Mann gewesen,
sein Körper verschrumpelt und verfallen, sein Tod absehbar.
Erklärbar. Bei seinem Sohn war das anders. Die Lambs, deren
Geschäft der Tod war, die ständig mit Leichen umgingen, hatten
geglaubt, schon alles gesehen zu haben. Aber der Anblick von Donte
traf sie wie ein Schock: Sein Gesicht war friedlich, sein Körper
wirkte unversehrt - ein junger Mann von siebenundzwanzig. Sie
hatten ihn schon als Kind gekannt. Sie hatten ihm auf dem
Footballplatz zugejubelt und wie ganz Slone geglaubt, er hätte eine
lange, ruhmreiche Laufbahn vor sich. Wie alle anderen in der Stadt
hatten sie über seine Verhaftung getuschelt und getratscht. Das
Geständnis war für sie völlig überraschend gekommen, und sie
glaubten Donte auf Anhieb, als er sofort wiederrief. In ihrem Teil
der Stadt traute niemand der Polizei, schon gar nicht Detective
Kerber. Der Junge war aufs Kreuz gelegt, das Geständnis aus ihm
herausgeprügelt worden, das hatte Tradition. Frustriert hatten sie
mit ansehen müssen, wie er vor Gericht gestellt und von einer
weißen Jury verurteilt wurde. Nachdem er ins Gefängnis gesteckt
worden war, hatten sie wie der Rest der Stadt halb erwartet, dass
die Leiche des Mädchens auftauchen oder sich herausstellen würde,
dass Nicole gar nicht tot war.
Mit Hilfe zweier anderer Männer hoben sie Donte von der Bahre
und legten ihn sanft in einen schönen Eichensarg, den seine Mutter
am Montag ausgesucht hatte. Roberta hatte eine kleine Anzahlung
geleistet - sie hatte eine Sterbeversicherung -, und die Lambs
hatten sich gern bereiterklärt, die Summe in vollem Umfang zu
erstatten, falls der Sarg nicht benötigt wurde. Sie hätten gern
darauf verzichtet. Sie hatten dafür gebetet, dass ihnen erspart
blieb, was sie im Augenblick taten: die Abholung der Leiche, der
Transport nach Hause, die Vorbereitung auf eine schmerzliche
Totenwache, Trauerfeier und Beisetzung.
Die vier Männer hievten den Sarg in den Leichenwagen von Lamb
& Son, und um 19.02 Uhr verließ
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