Geständnis
seinen
Anwälten aufgezogene Farce, mit der sie uns einen anderen Mörder
präsentieren. Das Justizsystem des Staates Texas lässt sich von
einem nach Aufmerksamkeit suchenden Kriminellen und einem
verzweifelten Anwalt, der alles für seinen Mandanten tun würde,
nicht erpressen. Gott segne Texas.“
Er weigerte sich, Fragen zu beantworten, und kehrte in sein
Büro zurück.
Als sich plötzlich die Vorhänge öffneten, wäre Roberta Drumm
beim Anblick ihres Sohnes, der mit Ledergurten auf eine Bahre
geschnallt war, fast zusammengebrochen. Sie rang nach Luft, schlug
die Hände vor den Mund, und wenn Cedric und Marvin sie nicht
gestützt hätten, wäre sie zu Boden gestürzt. Es war für alle ein
Schock. Sie drängten sich dichter zusammen. Robbie schloss sich
ihnen an und versuchte zu trösten. Keith war viel zu entsetzt, um
sich zu rühren. Er stand ein paar Schritte von der Familie
entfernt. Hinter ihm waren einige Leute, die er nicht kannte,
Zeugen, die irgendwann hereingekommen waren, wann, wusste er nicht.
Sie traten einen Schritt vor, um besser sehen zu können. Es war der
zweite Donnerstag im November, und in diesem Moment traf sich
gerade der Frauenbibelkreis im Gemeindesaal von St. Mark, um das
Lukasevangelium weiterzulesen, gefolgt von einem Spaghetti-Essen in
der Küche. Keith, Dana und die Jungen waren immer eingeladen und
nahmen auch meistens daran teil. Er vermisste seine Gemeinde und
seine Familie und wusste nicht genau, warum er ausgerechnet jetzt
an sie denken musste, während er den Kopf von Donte Drumm
anstarrte. Die dunkle Haut bildete einen scharfen Kontrast zu dem
weißen Hemd, das er trug, und den schneeweißen Laken. Die
Lederriemen waren hellbraun. Roberta schluchzte laut auf, Robbie
murmelte etwas, und die Zeugen hinter Keith drängten weiter nach
vorn, weil sie nicht alles sehen konnten. Keith hätte am liebsten
laut geschrien. Er hatte es satt, zu beten. Seine Gebete
funktionierten sowieso nicht.
Keith fragte sich, ob er genauso empfinden würde, wenn Donte
schuldig wäre. Er glaubte nicht. Der Junge wäre ihm mit Sicherheit
weniger sympathisch gewesen, wenn er den Mord tatsächlich begangen
hätte. Doch als er jetzt bei den Vorbereitungen für die Hinrichtung
zusah, fiel ihm die Kälte, die unbarmherzige Effizienz, die
klinische Unpersönlichkeit des Ganzen auf. Es war, als würde man
einen alten Hund, ein lahmes Pferd oder eine Laborratte töten. Wer
gibt uns eigentlich das Recht, zu töten? Wenn Töten falsch ist,
warum dürfen wir dann töten? Während Keith Donte anstarrte, wusste
er, dass er diesen Anblick nie vergessen würde. Und er wusste, dass
er nie wieder so sein würde wie vorher.
Auch Robbie starrte Donte an, genauer gesagt die rechte Seite
von dessen Gesicht, und er musste daran denken, was er alles anders
gemacht hätte, wenn er jetzt die Möglichkeit gehabt hätte. Ein
Anwalt muss in jedem Prozess Dutzende Entscheidungen treffen, und
Robbie hatte jede einzelne seiner Entscheidungen in Gedanken noch
einmal durchgespielt. Er hätte einen anderen Gutachter beauftragt,
hätte andere Zeugen geladen, wäre nicht so überheblich zur
Richterin und netter zu den Geschworenen gewesen. Er würde sich für
den Rest seines Lebens Vorwürfe machen, obwohl ihm niemand die
Schuld an dem Urteil gab. Er hatte es nicht geschafft, einen
Unschuldigen zu retten, und diese Last wog zu schwer. Mit Donte
starb auch ein großer Teil seines Lebens, und Robbie bezweifelte,
dass er je wieder so sein würde wie vorher.
Nebenan weinte Reeva, als sie den Mörder ihrer Tochter flach
auf dem Rücken liegen sah, hilflos, hoffnungslos, darauf wartend,
seinen letzten Atemzug zu tun und in die Hölle zu fahren. Sein Tod
- schnell und vergleichsweise sanft - war nichts im Vergleich zu
Nicoles Sterben, und Reeva wollte mehr Qualen und Schmerzen, als
sie jetzt gleich sehen würden. Wallis hatte den Arm um ihre
Schulter gelegt, ihre beiden Kinder stützten sie. Nicoles
leiblicher Vater war nicht gekommen, und das würde ihm Reeva nie
verzeihen.
Donte drehte den Kopf nach rechts und konnte seine Mutter
erkennen. Er lächelte und hielt den Daumen nach oben. Dann drehte
er den Kopf wieder weg und schloss die Augen.
Um 18.01 Uhr trat Gefängnisdirektor Jeter an einen Tisch und
nahm den Hörer eines Telefons ab, das durch eine Direktleitung mit
dem Büro des Generalstaatsanwalts in Austin verbunden war. Man
informierte ihn darüber, dass alle Anträge und Revisionen abgelehnt
worden waren; es gab keinen Grund,
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