Geständnis
gab Koffee zu
bedenken, und Kerber nickte zustimmend.
„ Was Sie nicht sagen. Und warum nicht?“
„ Er ist ein Unruhestifter, Reeva. Wir machen uns Gedanken über
die Konsequenzen für Donnerstagabend. Sie wissen, wie aufgebracht
die Schwarzen sind.“
„ Wir rechnen mit Unruhen, Reeva“, ergänzte Kerber.
„ Wenn die Schwarzen Ärger machen, müssen Sie sie eben
verhaften“, sagte sie.
„ Das sind genau die Situationen, auf die sich Fordyce am
liebsten stürzt. Er ist ein Agitator, Reeva. Er provoziert den
Ärger und nutzt ihn für sich. So steigert er seine
Einschaltquoten.“
„ Es geht nur um Quoten“, fügte Kerber hinzu.
„ Kann es sein, dass wir ein bisschen nervös sind?“, sagte Reeva
vorwurfsvoll.
Sean Fordyce war ein Talkshow-Moderator aus New York, der
Mordfälle als Marktlücke entdeckt hatte. Er machte kein Hehl
daraus, dass er politisch zum rechten Lager gehörte. In seinen
Sendungen ging es immer um Hinrichtungen, das Recht auf
Waffenbesitz oder das Aufspüren illegaler Einwanderer, eine Gruppe,
die er besonders gern aufs Korn nahm, weil sie ein wesentlich
dankbareres Ziel abgab als andere Dunkelhäutige. Das Format war
alles andere als originell. Einen Quotenhit landete Fordyce, als er
anfing, die Familien von Verbrechensopfern zu filmen, wie sie sich
auf die Hinrichtung vorbereiteten. Und richtig berühmt wurde er,
als es seinem Technikteam gelang, eine winzige Kamera in der Brille
des Vaters eines jungen Mordopfers aus Alabama zu installieren. Zum
ersten Mal konnte die Welt eine Hinrichtung verfolgen, und Fordyce
hatte das Material selbst in der Hand. Er sendete die Bilder immer
wieder, und immer war dazu sein Kommentar zu hören, wie mühelos das
doch gehe, wie friedlich und schmerzlos und viel zu einfach für so
einen Gewaltverbrecher.
In Alabama wurde er deswegen von der Familie des Toten
verklagt und mit Zensur und sogar Mord bedroht. Doch er überstand
die Krise. Die Anklagepunkte waren nicht haltbar, es war ihm kein
Verbrechen nachzuweisen, und so wurde das Verfahren eingestellt.
Drei Jahre nach diesem Bravourstück hatte er sich nicht nur erholt,
sondern schwamm ganz oben auf der Voyeurismuswelle des
Privatfernsehens. Und jetzt bereitete er sich in Slone auf einen
neuen Coup vor. Gerüchten zufolge hatte er Reeva fünfzigtausend
Dollar für die Exklusivrechte bezahlt.
„ Bitte, denken Sie nochmal darüber nach“, insistierte
Koffee.
„ Nein, Paul, ganz klar: nein. Ich tue das für Nicole, für meine
Familie und für alle anderen Verbrechensopfer. Die Welt soll sehen,
was uns dieses Monster angetan hat.“
„ Und was soll dabei herauskommen?“, fragte Koffee, der genau
wie Kerber die Anrufe von Fordyce' Produktionsteam ignoriert
hatte.
„ Vielleicht eine Gesetzesänderung.“
„ Aber die Gesetze greifen, Reeva. Gut, es hat länger gedauert,
als wir es uns gewünscht hätten, aber im Großen und Ganzen sind
neun Jahre nicht übel.“
„ Mein Gott, Paul, Sie wissen nicht, was Sie da sagen. Sie haben
nicht wie wir neun Jahre lang in einem Albtraum gelebt.“
„ Nein, und ich tue auch nicht so, als würde ich verstehen, was
Sie durchgemacht haben. Aber der Albtraum wird am Donnerstagabend
nicht zu Ende sein.“ Ganz gewiss nicht, schon gar nicht, wenn Reeva
im Spiel war.
„ Nicht zu fassen! Sie haben wirklich keine Ahnung, Paul. Meine
Antwort lautet nein. Nein, nein und nochmals nein. Ich mache das
Interview, und die Show wird gesendet. Die Welt soll sehen, wie das
ist.“
Sie hatten nicht erwartet, sie umstimmen zu können, deshalb
waren sie nicht überrascht. Wenn Reeva Pike sich etwas in den Kopf
gesetzt hatte, gab es nichts zu diskutieren. Sie wechselten das
Thema.
„ Dann soll es so sein“, sagte Koffee. „Fühlen Sie und Wallis
sich sicher?“
Sie lächelte glucksend. „Natürlich, Paul. Unser Haus ist
voller Waffen, und die Nachbarn sind in ständiger
Alarmbereitschaft. Jedes Auto, das durch diese Straße fährt, wird
durch ein Zielfernrohr beobachtet. Wir rechnen nicht mit
Ärger.“
„ Auf dem Präsidium sind heute ein paar Anrufe eingegangen“,
berichtete Kerber. „Das übliche anonyme Zeug, vage Drohungen, dass
dies oder das passieren werde, falls der Junge tatsächlich
hingerichtet wird.“
„ So was ist doch für Sie bestimmt kein Problem“, erwiderte
Reeva unbekümmert. Nachdem sie selbst einen erbarmungslosen Feldzug
geführt hatte, kannte sie keine Angst mehr.
„ Ich denke, wir sollten für den Rest der Woche
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