Geständnis
den Verstand. Zwischen den Angriffen stand
er stoisch da und sah dem Treiben auf dem Spielfeld zu, ohne seine
Hand zu bewegen, zu berühren oder in irgendeiner Weise zu verraten,
dass ihm der Schmerz die Tränen in die Augen trieb. Irgendwoher
nahm er den eisernen Willen und die unglaubliche Härte, das Spiel
bis zum Ende durchzuziehen.
Das Ergebnis dieses Spiels hatte er wie viele andere
vergessen. Aber er schwor sich, tief in seinem Innersten, in den
hintersten Regionen seines nachlassenden Hirns zu wühlen, um diesen
eisernen Willen wiederzufinden, damit er ihn davor bewahrte, dem
Wahnsinn zu verfallen. Er hievte sich mit großer Mühe aus dem Bett.
Er ließ sich zu Boden fallen und machte zwanzig Liegestütze, dann
Sit-ups, bis ihn die Bauchmuskeln schmerzten. Er rannte auf der
Stelle, bis er seine Füße nicht mehr heben konnte. Er machte
Kniebeugen, Beinlifts, wieder Liegestütze und Sit-ups. Als er in
Schweiß gebadet war, setzte er sich hin und erstellte einen
Stundenplan. Um fünf Uhr jeden Morgen würde er eine Stunde lang
eine genau festgelegte Abfolge von Übungen absolvieren. Um 6.30 Uhr
würde er zwei Briefe schreiben. Um sieben Uhr würde er einen neuen
Bibelvers auswendig lernen. Und so weiter. Sein Ziel waren tausend
Liegestütze und Sit-ups am Tag. Er wollte zehn Briefe schreiben,
und zwar nicht nur an seine Familie und engsten Freunde. Er wollte
auch neue Brieffreunde finden. Er wollte mindestens ein Buch am Tag
lesen. Er wollte nur noch halb so viel schlafen. Er wollte
anfangen, Tagebuch zu schreiben.
Die Ziele wurden sauber auf ein Stück Papier notiert und mit
der Überschrift „Stundenplan“ an der Wand neben dem Metallspiegel
befestigt. Und Donte fand tatsächlich die Kraft, sich an seinen
strengen Plan zu halten, jeden Tag aufs Neue. Nach einem Monat
schaffte er zwölfhundert Liegestütze und Sit-ups am Tag, und die
harten Muskeln fühlten sich gut an.
Das Training pumpte ihm wieder Blut ins Gehirn, das Lesen und
Schreiben eröffnete ihm neue Welten. Ein junges Mädchen aus
Neuseeland schrieb ihm einen Brief, den er sofort beantwortete. Ihr
Name war Millie. Sie war fünfzehn, und ihre Eltern lasen zwar seine
Briefe, förderten aber ihre Korrespondenz. Als Millie ein kleines
Foto von sich schickte, verliebte sich Donte. Bald schaffte er
zweitausend Liegestütze und Sit-ups, beseelt von dem Traum, eines
Tages Millie zu treffen. Sein Tagebuch füllte er mit Zeichnungen,
erotischen Szenen eines Pärchens, das durch die Welt reiste. Millie
schrieb ihm einmal im Monat, und für jeden Brief erhielt sie
mindestens drei zurück.
Roberta Drumm hatte entschieden, Donte nicht zu erzählen, dass
sein Vater schwer herzkrank war. Als sie ihm bei einem ihrer
zahlreichen Besuche eröffnete, dass er gestorben sei, bekam Dontes
zerbrechliche Welt erneut einen Riss. Dass sein Vater nicht mehr
erleben würde, wie er, vollständig rehabilitiert, das Gefängnis als
freier Mann verließ, war zu viel für ihn. Er unterbrach seine
strenge Routine. Einen Tag, dann noch einen. Er konnte nicht mehr
aufhören zu weinen und zitterte unablässig.
Dann ließ Millie ihn fallen. Ihre Briefe waren immer um den
Fünfzehnten des Monats gekommen, jeden Monat, über zwei Jahre lang,
dazu Karten zum Geburtstag und zu Weihnachten. Plötzlich trafen aus
unerfindlichen Gründen keine mehr ein. Donte schrieb ihr einen
Brief nach dem anderen, ohne eine Antwort zu erhalten. Er
verdächtigte die Wärter, seine Post zu verschlampen, und konnte
sogar Robbie überreden, ein paar Drohungen auszusprechen. Doch dann
akzeptierte er nach und nach die Tatsache, dass er sie verloren
hatte. Er verfiel in eine lange, finstere Depression und befolgte
den „Stundenplan“ nicht mehr. Er begann einen Hungerstreik, aß zehn
Tage lang nichts, gab aber auf, als offensichtlich wurde, dass es
niemanden kümmerte. Wochen vergingen ohne Training, ohne Lesen,
ohne Tagebucheintragungen, und Briefe schrieb er nur an seine
Mutter und Robbie. Alsbald hatte er die alten Footballergebnisse
wieder vergessen und konnte sich nur noch an ganz wenige Bibelverse
erinnern. Stundenlang starrte er an die Decke und murmelte vor sich
hin: „Jesus, ich verliere den Verstand.“
Der Besucherraum von Polunsky ist ein großer, offener Bereich
mit zahlreichen Tischen und Stühlen und Verkaufsautomaten an den
Wänden. In der Mitte befindet sich eine lange Reihe Kabinen, die
durch Glasscheiben unterteilt sind. Die Insassen sitzen auf der
einen, die Besucher auf der
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