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Geständnis

Titel: Geständnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bernd
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keine Lust mehr, sich unter Druck setzen zu lassen. Der
Gedanke gefalle ihm nicht, dass er mit einer von ihm
unterzeichneten eidesstattlichen Erklärung in letzter Minute seine
Aussage vor Gericht widerrufen solle. Er wolle nicht als Lügner
dastehen. Dabei hatte er praktisch längst zugegeben, dass er
gelogen hatte.
    „ Donte hätte nicht gestehen dürfen“, wiederholte er mehrmals,
als wäre ein falsches Geständnis Grund genug für die
Todesstrafe.
    Doch Pryor würde am Mittwoch und notfalls auch am Donnerstag
in der Nähe sein. Er sah immer noch eine gewisse Chance, die sich
von Stunde zu Stunde verbessern würde.
    Um sieben Uhr trafen sich die Kanzleimitglieder im
Besprechungsraum zum täglichen Briefing. Alle waren da, alle mit
trüben Augen und übermüdet, aber bereit zum finalen Schlag. Dr.
Kristi Hinze hatte die Nacht durchgearbeitet und ein Gutachten
erstellt. Während die anderen Gebäck aßen und Kaffee
hinunterstürzten, trug sie eine kurze Zusammenfassung vor. Das
Gutachten war fünfundvierzig Seiten lang, die das Gericht nie lesen
würde, die jedoch möglicherweise eine gewisse Aufmerksamkeit
erregen würden. Ihre Erkenntnisse überraschten niemanden,
jedenfalls nicht in der Kanzlei. Sie schilderte, wie sie Donte
Drumm untersucht hatte. Sie habe seine medizinische und
psychologische Entwicklung in den Jahren seines
Gefängnisaufenthaltes analysiert. Sie habe die zweihundertsechzig
Briefe gelesen, die er in den acht Jahren im Todestrakt geschrieben
habe. Ihre Schlussfolgerung: Donte Drumm sei schizophren,
psychotisch, wahnhaft und depressiv und begreife nicht, was mit ihm
geschehe. Sie verurteile die Isolationshaft, die, wie sie bereits
wiederholt erklärt habe, eine grausame Foltermethode
sei.
    Robbie trug Sammie Thomas auf, den Antrag auf
Vollstreckungsaufschub mitsamt Dr. Hinzes vollständigem Gutachten
dem Vertreter der Kanzlei in Austin zuzustellen. Während des
gesamten Verfahrens, volle acht Jahre lang, war Robbies Kanzlei von
der Texas Capital Defender Group unterstützt worden. Sammie würde
Antrag und Gutachten per E-Mail an die Defender Group schicken, die
um neun Uhr die ausgedruckten Unterlagen beim Gericht einreichen
würde.
    Wenn eine Hinrichtung bevorstand, war das Gericht besonders
hellhörig und stellte Anträge, die in letzter Minute eingereicht
wurden, sofort zu. Wurden sie abgelehnt, was in der Regel der Fall
war, konnten Robbie und die Defender Group sofort zum Bundesgericht
eilen und sich so Stufe für Stufe weiter hocharbeiten, immer in der
Hoffnung, dass an irgendeiner Stelle ein Wunder geschah.
    Robbie erläuterte die letzten Schritte und stellte sicher,
dass jeder wusste, was er zu tun hatte. Carlos würde sich am
Donnerstag in Slone um die Drumms kümmern. Er würde dafür sorgen,
dass sie bei ihrem letzten Besuch in Polunsky pünktlich waren.
Robbie würde vor Ort sein, um seinen Mandanten auf dem letzten Gang
zu begleiten und der Hinrichtung beizuwohnen. Sammie Thomas und
ihre Anwaltskollegin würden im Büro bleiben und die letzten Anträge
mit der Defender Group koordinieren. Assistentin Bonnie würde
Kontakt zum Gouverneur und zum Büro des Generalstaatsanwalts
halten.
    Der Antrag auf Vollstreckungsaufschub war beim Gouverneur
eingereicht worden, die Ablehnung stand noch aus. Der
Kristi-Hinze-Antrag war so gut wie auf den Weg gebracht. Solange
Joey Gamble es sich nicht anders überlegte, hatten sie nichts in
der Hand, was sie noch in die Waagschale werfen konnten. Im Verlauf
des Meetings wurde klar, dass sie praktisch nichts mehr tun
konnten. Das Gespräch verebbte. Die Anspannung begann nachzulassen.
Alle spürten plötzlich ihre Erschöpfung. Das Warten hatte
begonnen.
     
    Vivian Grale war 1994 ins Richteramt gewählt worden. Im
Wahlkampf hatte sie mit hohen moralischen Ansprüchen geworben und
versprochen, sie werde im Falle ihres Sieges Gottes Gesetz über
alles stellen, die Haftstrafen für Kriminelle verlängern und die
Todeskammer in Huntsville effizienter nutzen. Sie gewann mit
dreißig Stimmen Vorsprung vor ihrem Amtsvorgänger, einem klugen und
erfahrenen Richter namens Elias Henry. Zum Sieg verholfen hatte ihr
nicht zuletzt eine Schmutzkampagne, in der sie ein paar milde
Urteile des Richters so geschickt anprangerte, dass er als
Pädophilenfreund dastand.
    Nachdem ihre Affäre mit Paul Koffee ans Licht gekommen war,
nachdem sie geschieden, in Unehren zurückgetreten und aus Slone
verschwunden war, kehrten die Wähler reuevoll zu Richter Henry
zurück und

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