Geständnis
Dutzend Taschenbücher,
die er seit Jahren nicht mehr gelesen hatte, zwei Schreibblöcke,
Umschläge, ein Wörterbuch, eine Bibel, ein Kalender von 2007, ein
Beutel mit Reißverschluss, in dem er sein Geld aufbewahrte,
achtzehn Dollar und vierzig Cents, zwei Büchsen Sardinen, eine
Packung alter Cracker aus der Kantine und ein Radio, mit dem er
lediglich einen christlichen Sender aus Livingston und einen
Country-Sender aus Huntsville empfangen konnte. Er nahm einen
Schreibblock und einen Stift und begann zu rechnen. Er brauchte
eine Weile, aber schließlich hatte er eine Zahl, die seiner Meinung
nach ziemlich genau sein musste.
Sieben Jahre, sieben Monate und drei Tage in Zelle 22F. Das
wären dann 2771 Tage. Davor hatte er etwa vier Monate im alten
Todestrakt von Ellis verbracht. Er war am 22. Dezember 1998
verhaftet worden und saß seitdem im Gefängnis.
Fast neun Jahre hinter Gittern. Es war eine Ewigkeit, aber
keine beeindruckende Zahl. Oliver Tyree, vier Türen weiter, war
vierundsechzig und seit einunddreißig Jahren im Todestrakt. Ein
Datum für seine Hinrichtung gab es nicht. Einige Häftlinge warteten
seit zwanzig Jahren. Allerdings änderte sich das gerade. Für die
Neuankömmlinge galten andere Regeln, da waren die Fristen für
Berufungen und Revisionen verkürzt worden. Bei Häftlingen, die nach
1990 verurteilt worden waren, betrug die durchschnittliche
Wartezeit bis zur Hinrichtung zehn Jahre. Texas war der
Bundesstaat, in dem man am schnellsten hingerichtet
wurde.
Die ersten Jahre in 22F hatte Donte mit Warten auf Neuigkeiten
von den Gerichten verbracht. Für ihn fühlte es sich an, als würden
sie im Schneckentempo verstreichen. Dann war es vorbei. Es gab
keine Anträge mehr, die man hätte stellen können, und keine
Richter, mit denen Robbie sich hätte anlegen können. Wenn Donte
jetzt zurückblickte, kam es ihm so vor, als wäre diese Zeit wie im
Flug vergangen. Er streckte sich auf dem Bett aus und versuchte zu
schlafen.
Man zählt die Tage und sieht zu, wie die Jahre vergehen. Man
redet sich ein, dass man endlich sterben will. Und man glaubt es
auch. Man will eher dem Tod ins Gesicht sehen und sagen, man sei
zum Sterben bereit, denn was immer da auf der anderen Seite auf
einen wartet, es muss besser sein, als auf zwei mal drei Metern alt
zu werden und niemanden zu haben, mit dem man reden kann. Man fühlt
sich, als wäre man schon zur Hälfte tot, und will die andere Hälfte
loswerden.
Man hat Dutzende gehen und nicht wiederkommen sehen, und man
akzeptiert, dass man eines Tages auch abgeholt wird. Man ist eine
Laborratte, ein Wegwerfkörper, der als Beweis dafür benutzt wird,
dass das Experiment funktioniert. Auge um Auge, jeder Mord muss
gerächt werden. Und wenn man genügend Mörder getötet hat, ist man
überzeugt davon, dass Töten gut ist.
Man zählt die Tage, und plötzlich sind keine mehr übrig. An
seinem letzten Morgen fragt man sich, ob man wirklich zum Sterben
bereit ist. Man versucht, Mut zu finden, doch dann stellt man fest,
dass man ihn schon längst verloren hat.
Wenn alles vorbei ist, will niemand sterben.
Auch für Reeva war es ein großer Tag, und um der Welt zu
zeigen, wie sehr sie litt, lud sie die Crew Fordyce - Hitting Hard!
zum Frühstück ein. In ihrem schönsten Hosenanzug briet sie Eier und
Speck und setzte sich an den Tisch zu Wallis und ihren beiden
Kindern, Chad und Marie, die beide etwas unter zwanzig waren.
Keiner der vier brauchte ein üppiges Frühstück. Eigentlich hätten
sie es auslassen sollen. Doch die Kameras liefen, und während sie
aßen, unterhielten sie sich über den Brand, der ihre Kirche
zerstört hatte. Sie waren fassungslos und wütend, und sie waren
sicher, dass es Brandstiftung gewesen war. Aber sie schafften es,
sich zu beherrschen und niemanden der Tat zu bezichtigen - vor der
Kamera. Als die Kameras ausgeschaltet waren, behaupteten sie, dass
das Feuer von schwarzen Kriminellen gelegt worden sei. Reeva
gehörte der Kirchengemeinde seit über vierzig Jahren an. Sie hatte
zweimal in dieser Kirche geheiratet, und Chad, Marie und Nicole
waren dort getauft worden. Wallis war Diakon. Es war eine Tragödie.
Dann ging es um wichtigere Themen. Sie waren sich darin einig, dass
es ein trauriger Tag war, ein trauriger Anlass. Traurig, aber
notwendig. Fast neun Jahre hatten sie auf diesen Tag gewartet und
darauf, dass ihnen und, ja, ganz Slone Gerechtigkeit
widerfuhr.
Sean Fordyce war bei einer komplizierten Hinrichtung in
Florida aufgehalten
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